Rezension

Am Ende war ein Mensch...

Zerrspiegel
von Katja Montejano

Bewertet mit 4 Sternen

»Während das dampfend heiße Wasser in die Badewanne sprudelte, stand er vor dem Waschbecken und starrte in den Spiegel. Er sah müde aus. Nachdem er den Hahn zugedreht hatte, stieg er in die Wanne. Kaum hatte er es sich darin bequem gemacht, durchflutete die Wärme jede Faser seiner Muskeln. „Herrlich!“, stöhnte er genussvoll und schloss die Augen. Der verführerische Duft des Badeöls drang in seine Nase, und sein Wohlbefinden stieg mit jeder Minute an. Die Stille rief Erinnerungen hervor. Er sah die Bilder der letzten Nacht klar vor sich. Polyesterfolie. Häcksler. Benzinkanister. Der zertrümmerte, lauwarme Körper der jungen Frau. Der Geruch von Blut und Eingeweiden…«

Das Leben der jungen Jazz wäre eigentlich schon kompliziert genug. Die junge Frau ist ein „Aspi“, wie sie sich selbst bezeichnet – sie leidet unter einer leichten Form des Asperger-Syndroms. Ein geregelter Tagesablauf, ein gewohntes Umfeld und die vertrauten Menschen geben ihr Sicherheit – aber genau diese Dinge verschwinden von einem Tag auf den anderen. Verschwinden, so wie ihre Mutter und ihre Zwillingsschwester. Sie selbst wird brutal überfallen, entkommt nur mit Glück dem Täter, der in ihrer Wohnung über sie herfällt. Ist der Täter auch für das Verschwinden von Mutter und Schwester verantwortlich? Merkwürdige Botschaften, die Jazz erhält, machen klar, dass sie kein Zufallsopfer sein kann. Aber welche Intention verfolgt der Täter? Was ist sein Plan?

 

Der Leser erfährt sehr schnell, dass es dem Täter um Rache geht. Das Besondere an diesem Buch ist nämlich, dass es abwechselnd aus der Sicht von Jazz und der Sicht des Täters erzählt. Im Grunde hat man dadurch zwei Erzähler, die verschiedener nicht sein können. Jäger und Opfer. Obwohl… ist es so einfach? Was den Jäger antreibt, erschließt sich nur langsam, seine Identität wird erst kurz vor Ende klar. Er will Rache, aber wofür? War auch er ein Opfer?

 

Zwei hochinteressante und komplexe Charaktere treffen somit aufeinander, die Spannung ist gleichbleibend hoch und das Buch verleitet dazu, es in einem Rutsch lesen zu wollen. Kleine Anmerkung aber für etwas empfindlichere Leser: Es wird ziemlich blutig.

 

Fazit: Spannend, flott zu lesen, tolle Charaktere und ordentlich Blut – ein klasse Thriller!

 

»Er lächelte. Dachte an die orangefarbene Tupperware, die er in den Kühlschrank gestellt hatte. Am Ende war ein Mensch nicht viel mehr als ein paar Eimer organisches Material.«