Rezension

J.K. Rowling als Robert Galbraith: Gelungener Detektivroman

Der Ruf des Kuckucks
von Robert Galbraith

„Der Ruf des Kuckucks“ von Robert Galbraith ist ein Detektivroman und stellt gleichzeitig den Auftakt einer Reihe um den Ermittler Cormoran Strike seine Assistentin Robin Ellacott dar. Dass sich hinter dem Briten Robert Galbraith nicht etwa ein aufstrebender Debütautor verbirgt, sondern hier niemand geringeres als Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling unter einem Pseudonym schreibt, wurde noch vor der Veröffentlichung in Deutschland aufgedeckt und ging durch die Medien. Rowling hatte schon mit dem sozialkritischen Roman „Ein plötzlicher Todesfall“ versucht nach ihren Riesenerfolgen mit den altersübergreifenden Fantasy-Romanen rund um den jungen Zauberer in einem völlig anderen Genre Fuß zu fassen. Im zweiten Anlauf, unter neuem Namen und mit deutlich weniger Medien-Hype, ist ihr das meiner Meinung nach noch einmal deutlich besser gelungen. Aber zuerst zum Inhalt:

Cormoran Strike kämpft nicht nur mit einer Kriegsverletzung, auch finanziell und privat läuft es alles andere als gut. Dem Detektiv mangelt es an Aufträgen, seine Lebensgefährtin hat ihn rausgeworfen.
Daher kommt es Strike gerade recht, als der Bruder eines verstorbenen Topmodels auftaucht und ihm ein lukratives Angebot dafür macht, den angeblichen Selbstmord seiner erfolgreichen Schwester Lula noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Zusammen mit der überraschend engagierten neuen Sekretärin Robin macht sich Strike an die Arbeit. Doch die Ermittlungen in der Welt der Schönen und Reichen wird nicht so einfach, wie anfangs gedacht…

Obwohl sich in „Der Ruf des Kuckucks“ zweifellos alles um die Aufdeckung eines Kriminalfalls dreht, würde ich diesen Roman nicht uneingeschränkt als Kriminalroman beschreiben wollen, denn dies könnte einen falschen Eindruck des Spannungsniveaus vermitteln. Es handelt sich nicht um einen elektrisierend spannenden Ermittlerkrimi, schon gar nicht um einen regelrechten Nervenkitzel auslösenden Thriller. Der Roman lebt mehr von den konfliktreichen Figuren und den Dialogen, wird zwar zwischenzeitlich durchaus spannend, bleibt aber ansonsten eher auf einer bodenständigen Ebene interessanter Detektivarbeit, die sich sukzessive dem Ziel nährt und dabei das Leben allerhand verschiedener, hervorragend ausgearbeiteter Charaktere streift. Galbraith (alias Rowling) zeigt hier viel Liebe zum Detail und beschreibt selbst Nebenfiguren mit ausführlich ausgeschmückten und stimmigen Hintergrundgeschichte, was den Figuren dieses Romans eine bemerkenswerte Tiefe gibt. Rowling hat einfach ein sehr gutes Gespür für die Beschreibung unterschiedlichster Menschen und das offenbart sich auch in diesem Roman.

Wie schon in „Ein plötzlicher Todesfall“ zeigt Rowling (Galbraith) auch hier eine Vorliebe für das Aufeinandertreffen verschiedenster sozialer Milieus und den Folgen daraus, allerdings baut sie ihre Geschichte in diesem Roman deutlich fokussierter auf. Während es in „Ein plötzlicher Todesfall“ eine unübersichtliche Anzahl an Handlungsträgern beinahe unmöglich machte, einen wirklichen Dreh- und Angelpunkt des Romans auszumachen, und der Leser sich insbesondere zu Beginn durch ein verwirrendes Spiel aus Namen, Familien und Bekanntschaften manövrieren musste, konzentriert sich „Der Ruf des Kuckucks“ auf angenehme Weise auf zwei Hauptfiguren: Cormoran Strike, den hünenhaften Kriegsveteran, der sowohl beruflich als auch privat gerade keine großen Erfolge vorzuweisen hat, und Robin Ellacott, die junge Neu-Londonerin mit Heiratsplänen und einer Vorliebe für Detektivarbeit.

Beide ergeben ein gelungenes Gesamtbild und halten den Leser mit ihren Eigenarten durchgehend bei Laune. Die engagierte Robin räumt im Vorzimmer der heruntergekommenen Detektei kräftig auf und ist im Vergleich zum grantigen Privatermittler Strike der Sonnenschein des Duos. Strike ist zwar ein interessanter Charakter, man kann allerdings durchaus kritisieren, dass sich hier eine ganze Reihe von Klischees anhäufen. Der unzugängliche, ungepflegte und ein wenig dem Alkohol zugeneigte Detektiv ist nun einmal keine neue Erfindung, sondern eher das gängige Grundgerüst unendlich vieler Kriminalromane. Dennoch, trotz erkennbarer Klischees, wurden die Figuren gut angelegt und präsentieren sich als durchdachtes Team, das eine glaubwürdige Kriminalgeschichte inklusive den Roman belebender privater Entwicklungen und eines harmonischen Zusammenspiels der gegensätzlichen Neu-Partner bieten kann.

Sprachlich überzeugt „Der Ruf des Kuckucks“ auf ganzer Linie. Die Beschreibungen sind feinfühlig, bauen eine Atmosphäre auf und zeigen genau das richtige Maß an Detailliebe. Schreiben kann Rowling ohne Frage, das hat sie schon vor langer Zeit unter Beweis gestellt. Dennoch kann sie eine Weiterentwicklung zeigen, indem sie sich in diesem Roman endlich einmal auf wenige Perspektiven beschränkt und strikt bei der Sichtweise ihrer beiden Hauptfiguren bleibt. Der mitunter anstrengende allwissende Erzähler ist Geschichte.

Die Handlung ist von Anfang bis Ende stimmig und schlängelt sich entlang vieler interessanter Ermittlungsstationen einem Finale entgegen, das vielleicht an einigen Stellen in den Mutmaßungen des Lesers durchblitzte, aber dennoch überraschen konnte. Wirklich sicher sein konnte man sich nie – und da liegt auch die Stärke dieses nicht unbedingt hochgradig spannenden Kriminalromans, in dem sicher nicht Action auf noch mehr Action folgt. Subtile Andeutungen, Ermittlungen mit ausgeprägten Dialogen und ein komplexer Aufbau der Geschichte können den Leser fesseln. Längen sind kaum feststellbar.

Fazit: „Der Ruf des Kuckucks“ von Robert Galbraith, oder besser gesagt J.K. Rowling, ist ein sehr gelungener Detektivroman, der durch interessante Charaktere und eine vielschichtige Handlung überzeugen kann und so auch ohne hohes Spannungsniveau mit einer komplexen, glaubwürdigen Geschichte begeistert. Strike und Ellacott sind ein Team, von dem man gerne mehr lesen möchte. Ich vergebe sehr gute 4 (4.5) Sterne für diesen Auftakt und freue mich auf eine Fortsetzung der Reihe.