Rezension

Klassischer englischer Kriminalroman

Der Ruf des Kuckucks
von Robert Galbraith

„Der Ruf des Kuckucks“ ist der zweite Roman von Joanne K. Rowling in ihrer Nach-Fantasy-Ära. Ursprünglich unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht, wollte die Autorin  damit eventuell ausloten, ob es für sie auch möglich ist, durch die Presse als Schriftsteller(in) „neutral“ und jenseits der erfolgreichen Harry Potter-Reihe bewertet zu werden und wie das Urteil dann ausfällt. Da allerdings durch eine Indiskretion das Pseudonym vorzeitig gelüftet wurde, kann man dieses Vorhaben leider als gescheitert betrachten, denn fast in jeder Rezension, die ich bisher zum „Kuckuck“ gelesen habe, werden Vergleiche mit den Harry Potter-Büchern angestellt. Dies ist allerdings meiner Meinung nach nicht zulässig, bedient die Autorin doch hier zwei völlig unterschiedliche Genres. Vergleichen kann man aber die Qualität von J. K. Rowling hier und dort als Erzählerin, und hier hält „Der Ruf des Kuckucks“ jedem Vergleich mit ihrer Jugendbuch-Reihe stand.

Der Winter hat London fest im Griff, als das Top-Model Lula Landry auf dem verschneiten Balkon ihrer Penthouse-Wohnung im Nobelviertel Mayfair ausrutscht und in die Tiefe stürzt. Die Polizei untersucht den Vorfall und kommt zu dem Ergebnis, dass Fremdeinwirkung ausgeschlossen werden kann und es entweder ein tragischer Unfall oder Selbstmord war. Damit will sich der Landrys Bruder John Bristow aber nicht zufriedengeben und bitten den Privatdetektiv Cormoran Strike, Nachforschungen anzustellen und die Wahrheit zu enthüllen. Unterstützt von seiner Aushilfssekretärin Robin macht er sich an die Arbeit und taucht in die Welt der Reichen, Schönen und Verlogenen ein.

Joanne K. Rowling hat mit „Der Ruf des Kuckucks“ einen Kriminalroman geschrieben, der fast schon klassisch wirkt, denn gerade in der Anfangssequenz, wenn sie ihre Protagonisten und die Ausgangssituation vorstellt, hat man den Eindruck in einem Noir-Klassiker mit Dickens-Personal und Christie-Flair gelandet zu sein. Und je tiefer man in das Geschehen einsteigt, desto klarer treten die Stärken dieses Romans zutage, die in den detailliert gezeichneten Personen und der intelligent angelegten Geschichte liegen.

„Der Ruf des Kuckucks“ ist ein Krimi, auf den der Leser sich einlassen muss und der sich nicht für die schnelle, an der Handlung entlang lesende Lektüre eignet. Die Autorin ist nicht auf reißerische Effekte mit Ekelfaktor aus, sondern vertraut glücklicherweise auf ihr Erzähltalent. Und sie tut gut daran, denn die Art und Weise, in der sie ihren Protagonisten Cormoran Strike schlussendlich die im Laufe seiner Ermittlung gesammelten Informationen zusammenfügen, die Lügen entlarven und so den Fall Lula Landry auflösen lässt, ist schon äußerst gekonnt und erfordert einiges Geschick.

Mich hat Robert Galbraiths aka Joanne K. Rowlings Buch auf alle Fälle überzeugt, und der nächste Fall von Cormoran Strike und seiner patenten Assistentin Robin Ellacott ist bereits fest eingeplant!