Rezension

Latein und Mathe

Der große Sommer
von Ewald Arenz

Bewertet mit 4 Sternen

Daran scheitern Friedrichs Pläne für den Sommerurlaub mit der Familie am Meer - dem 16jährigen droht eine Ehrenrunde, wenn er die Nachprüfungen nicht besteht und das wäre schon die zweite!

Deswegen nimmt er den Vorschlag der Familie (oder ist es gar eine Anweisung), über die Sommerferien zu den Großeltern zu ziehen, wo der Großvater, ein Medizinprofessor, der noch praktiziert, mit ihm lernen wird. Der Strengste in der ganzen Familie: weil er der Stiefgroßvater ist, mussten Friedrich und seine Geschwister ihn über Jahre hinweg siezen und auch jetzt ist er noch superstreng und versteht keinen Spaß. Gut, dass Friedrichs nur wenig jüngere Schwester Alma - allerdings freiwillig - auch in der Stadt bleibt und auch sein bester Freund Johann die meiste Zeit zu Hause sein wird. Und dann gibt es noch Beate, die er erst vor ein paar Tagen kennengelernt hat.

Friedrich weiß noch nicht, dass er mit diesem Sommer auf eine bittersüße Weise das Ende von Etwas, von seinen unbeschwerten Kinder- und Jugendtagen erleben wird- er wird sich sozusagen entpuppen, einiges wird zu Ende gehen, während anderes neu beginnt.

Und nicht zuletzt wird er den Großvater, wie er ihn nennen muss, völlig neu kennenlernen!

Ewald Arenz hat mit leichter Feder - mir war sie stellenweise ein kleines Bisschen zu leicht - einen Roman voller Empathie, warmherzigem Humor und Klarsicht über eine scheinbar längst vergangene Zeit geschrieben. Ebenso deutlich wie die Unterschiede zu den frühen 1980er Jahren wurde jedoch das ewig Gleiche im Jungsein: die Unsicherheit, die Sehnsucht, ja, auch die Gier. Einmal mehr beweist Ewald Arenz sein ungeheures Talent in der Darstellung von Charakteren: Friedrich und seine Freunde, doch auch den Großvater und Nana, die Großmutter, sah ich während der Lektüre klar vor mir. Und fühlte mich versetzt in längst vergangene Zeiten, längst verloren geglaubte Gefühlswelten. Ein Roman, der aufwühlt und wehtut - aber lange nicht so, wie er versöhnt! Wenn man dem Autor glaubt - und ich bin bereit, das zu tun, habe ich doch meine Jugend zur gleichen Zeit wie Friedrich erlebt - dann erfährt man, dass es immer einen Weg, eine Lösung gibt und jedes Ereignis, also auch jede Tragödie immer aus mehreren Perspektiven betrachtet werden kann.