Rezension

Beängstigender Auftakt

Cassia & Ky 01. Die Auswahl
von Ally Condie

Alles ist perfekt durchgeplant. Das gesamte Leben. Was man essen soll, was man lernen soll, welchen Beruf man ergreifen soll, wen man heiraten soll, wann man sterben wird.
In dieser Welt lebt Cassia und wir lernen sie kennen, als sie sich gerade auf dem Weg zu ihrem Paarungsbankett befindet, auf dem sie erfahren soll, wen sie heiraten wird. Zu ihrer großen Freude ist es ihr bester Freund Xander, der ihr als perfekter Partner ausgewählt wurde. Doch als Cassia sich zu Hause den Mikrochip ansieht, erscheint das Bild ihres Freundes Ky, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Cassia, als gehorsame Bürgerin, gibt den defekten Mikrochip zurück, doch ihre Gedanken kehren immer wieder zu Ky zurück. Während der gemeinsamen Sommeraktion, des Wanderns, kommen die beiden sich näher und Cassia erkennt, dass sie Gefühle für ihn entwickelt, die sie nicht haben sollte.
Doch nicht nur durch die Liebe, die sich zwischen den beiden entwickelt, verstoßen sie gegen die Regeln, Cassia hat von ihrem Großvater, der den Regeln entsprechend an seinem 80. Geburtstag getötet wurde, ein gefährliches Geheimnis geerbt: Zwei Gedichte, die nicht mehr existieren sollten. Eines davon: "Geh nicht gelassen in die gute Nacht" von Dylan Thomas. Und der Gedanke dieses Gedichtes begleitet Cassia vom ersten Lesen an immer stärker und immer öfter sagt sie sich selbst, nicht gelassen zu gehen und immer mehr erkennt sie die Lügen der Regierung und die Skrupellosigkeit, mit der sie vorgeht. 
Nicht nur Cassia und Ky, auch Cassias Familie und Xander müssen sich fragen, was sie bereit sind, zu riskieren, welche Gefahren sie für sich und die, die ihnen nahestehen, eingehen werden. Die Geschichte endet, für einen ersten Teil wenig überraschend, recht offen und mit mehr als einem Funken Hoffnung.
Ich habe kürzlich auf einer englischsprachigen Seite eine Diskussion gelesen, bei der Leser ihre Meinung zur Trilogie "Cassia & Ky" gegenüber den "Tributen von Panem" äußern sollten und dort meinte jemand, dass die Gesellschaft in "Cassia & Ky" weniger bedrohlich sei, als das Regime in "Panem" und dass es unrealistisch sei, dass die Gesellschaft überhaupt so mächtig sei und alle unter ihrer Kontrolle hat. Ich muss sagen, ich sehe es genau umgekehrt. Die Gesellschaft ist für mich viel beängstigender, weil näher. Die ständige Überwachung durch den Staat, der einem vorschreibt, welchen Job man auszuführen hat, was man zu lernen hat, was man essen darf, wen man heiraten darf und wen nicht, die Bedrohung für die gesamte eigene Familie, wenn man sich nicht dem Willen der Gesellschaft beugt ... das alles hatten wir hier in Deutschland zu genüge. Natürlich nicht in dem Ausmaß, wie es die Gesellschaft im Stande ist, auszuführen, aber doch in den Grundzügen. Auch finde ich diese Entwicklung realistischer als die, dass man als Form der Unterdrückung und zur Abwendung von Aufständen Kinder gegeneinander kämpfen lässt.
Vielleicht liegt es aber auch an dieser Geschichte unseres Landes, die mich die Bedrohung in "Die Auswahl" stärker hat spüren lassen, als es bei den Amerikanern der Fall zu sein scheint. Auf jeden Fall ist das Buch ein guter Auftakt einer Trilogie, auch wenn die Kürzungen des Hörbuchs vor allem am Ende zu Verwirrungen führen. So wird die Bedeutung der roten Tablette nicht wirklich deutlich und ich musste mich über die Stelle noch einmal im Internet informieren, um den Sinn dahinter und das Ausmaß der Gefahr, die die Gesellschaft bildet, zu verstehen. Trotzdem gibt es von mir vier Punkte für "Die Auswahl".