Rezension

Gruselig! Nichts für schwache Nerven!

The Diviners - Aller Anfang ist böse - Libba Bray

The Diviners - Aller Anfang ist böse
von Libba Bray

Bewertet mit 5 Sternen

Eye-Candy: Das deutsche Cover ist schon ziemlich cool. Ich mag das Layout, die Farbgebung, die an die goldenen Zwanziger erinnert und die Figur, die in typischer Flapperaufmachung an Evie erinnert. Was mich leicht irritiert, ist die Karte mit dem Zeichen drauf. Das Zeichen ist zwar von Bedeutung, aber so eine blutige Pentakel-Karte ist wenig subtil und stört mich etwas.

Inhalt: Evie wird nach einer Partyeskapade ihrerseits von ihren Eltern von Ohio nach New York zu ihrem Onkel verfrachtet. Was als eine Strafe beginnt, wird für Evie sehr schnell zum Abenteuer. Sie ist sich sicher: Sie gehört nach Manhattan. Als blutrünstige Morde die ganze Stadt erschüttern und sie und ihr Onkel darin verwickelt werden, wird ihr klar, dass sie ihre Gabe nutzen könnte, um anderen zu helfen. Dass sie sich damit selber in Gefahr bringt und die Bestie auf sich aufmerksam macht, das weiß sie nicht …
Meine Meinung: Ich habe schon einige Bücher von Libba Bray gelesen, die ich entweder geliebt (sehr empfehlenswert: Die Gemma Doyle-Reihe!) oder gehasst habe (Going Bovine). Keines ihrer Bücher ist so, wie das andere und auch bei The Diviners war es so.
Das Buch wird aus der allwissenden Perspektive erzählt, das bedeutet, dass die "Kamera", mit der der Leser die Geschehnisse sieht und mitbekommt, auch abrupt in einer Szene umschwenken kann. 
Sind wir zuerst bei Evie und ihrem Onkel, die miteinander diskutieren, sieht man plötzlich die beiden älteren Katzenladys, die im selben Gebäude wohnen. Dann geht es weiter durch die Straßen New Yorks, wo mysteriöse und wunderliche Dinge passieren. 
Zum einen hat mir das sehr gefallen, da man dadurch mitten im Geschehen ist. Man ist in New York, in den Flüsterkneipen, in der verstaubten Bibliothek, in den Wohnungen von Fremden und kann alles in sich aufnehmen. Die Atmosphäre wird beinahe greifbar. Libba Bray sagt am Ende des Buchs, dass sie stundenlang Recherche betrieben hat und das merkt man dem Buch auch an. Nichts wirkt erzwungen, der Charme der goldenen Zwanziger spiegelt sich im Slang der Charaktere und in tatsächlichen historischen Begebenheiten.
Wenn man nicht so sehr auf den Aufbau von Atmosphäre steht, könnte das Buch Längen haben. Für mich allerdings war es genau richtig. Auch Mini-Charaktere, die nur kurz vorkommen, haben eigene Geschichten, die den Leser zum Weiterdenken und Träumen einladen. Das hat mir sehr gut gefallen.
Die Charaktere sind zahlreich. Welche Verbindung zwischen ihnen existiert, wird im Laufe des Buches klar. Aber nicht alle Verwebungen werden bis zum Schluss aufgedeckt, wobei ich mir denke, dass im zweiten Band das weitergeführt wird.
Mein Lieblingscharakter ist Evie, die anfangs ein leichtsinniges, egoistisches und naives "modernes" Mädchen ist. Ihre Entwicklung kann man wirklich Schritt für Schritt mitverfolgen, währenddessen schließt man sie mit ihren ironischen Sprüchen sehr schnell ins Herz.
Besonders gut haben mir auch ihr Onkel Will und Sam Lyod gefallen. Hier wünsche ich mir, mehr Einblicke in ihr Innenleben im zweiten Band zu bekommen. Sie haben noch so viel zu erzählen, dass ich es der Autorin nicht verzeihen könnte, wenn auf die beiden nicht näher eingegangen wird.
Auch die anderen Bewohner von Manhatten haben Geheimnisse, die zwar angedeutet, aber nicht weiter ausgeführt werden (auch hier hoffe ich auf mehr).
Von faszinierenden, nicht flachen Charakteren mangelt es dem Buch nicht. Bis zum Schluss werden neue Charaktere eingeführt, was etwas verwirrend ist. Ein Glossar mit Namen wäre sehr praktisch.
Trotz den vielen Seiten zieht sich der rote Faden durch die ganze Geschichte durch. Einige Nebenstränge werden aufgenommen, verwoben, aber selten zu Ende geführt. Ich denke, dass auch hier eher Worldbuilding betrieben wird und man in folgenden Bänden, diese Stränge weiter verfolgen wird.
An Spannung und genügend Gruselfaktor mangelt es dem Buch in keinster Weise. Überraschend blutig und gruselig werden einige Szenen beschrieben, sodass man danach beinahe meint, das viel zitierte Lied von Naughty John zu hören: 
“Naughty John, Naughty John, does his work with his apron on. Cuts your throat and takes your bones, sells ‘em off for a coupla stones.”
Gerade im Hörbuch finde ich die akustische Umsetzung famos! (Der zwanziger Slang schleicht sich auch schon in meine Sprechweise.) Die Sprecherin, Anja Stadlober, auch bekannt als die Stimme von Emma Stone, hat eine wundervolle Art zu erzählen. Ihre Stimme ist zum richtigen Zeitpunkt einfühlsam, unsicher und macht dem Hörer auch Angst, wenn sie die gruseligen Passagen vorliest.
Libba Brays Schreibstil ist bildhaft und informativ. Trotz der vielen Beschreibungen geschieht immer irgendetwas, wodurch man nicht das Gefühl hat, dass die Handlung auf der Strecke bleibt. Zur guten Recherche habe ich bereits am Anfang der Rezension etwas gesagt, aber ich wiederhole: Sehr gute Recherchearbeit, die nicht erzwungen oder falsch wirkt.
In der Kürze liegt die Würze: durchaus gruselig, daher nichts für schwache Nerven; allesamt interessante, vielschichtige Charaktere; spannende Handlung, die zum Mitdenken animiert; neugierig Machendes, aber kein Cliffhanger-Ende

Bewertung:  Wie man wahrscheinlich von der Rezension ausgehen kann, habe ich nichts zu bemängeln. Einige Situationen haben mich zwar verwirrt oder geärgert, aber das waren klassische "Es liegt an mir und nicht an dir"-Momente, die ich später nachvollziehen konnte oder deren Erklärung ich für Band zwei voraussetze. Hörbuch und Buch bekommen daher ♥♥♥♥♥ Herzchen.