Rezension

"Was wäre wenn?" Matt Haig gibt mit diesem Roman eine tiefgründige, bewegende aber auch hoffnungsgebende und lebensbejahende Antwort

Die Mitternachtsbibliothek -

Die Mitternachtsbibliothek
von Matt Haig

Zwischen Leben und Tod liegt eine Bibliothek Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gesäumt mit all den Leben, die du hättest führen können. Buch für Buch gefüllt mit den Wegen, die deine hätten sein können. Hier findet sich Nora Seed wieder, nachdem sie aus lauter Verzweiflung beschlossen hat, sich das Leben zu nehmen. An diesem Ort, an dem die Uhrzeiger immer auf Mitternacht stehen, eröffnet sich für Nora plötzlich die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Jedes Buch in der Mitternachtsbibliothek bringt sie in ein anderes Leben, in eine andere Welt, in der sie sich zurechtfinden muss. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?

Inhaltsangabe: 

Während sich die Welt ganz normal weiter dreht, spielt sich in der Bancroft Avenue 33 A grauenhaftes ab, denn Nora Seed ist gerade dabei sich das Leben zu nehmen. 
Die Schwarzhaarige, die schon ihr ganzes Leben in Bedford lebt will sterben. Seit einigen Jahren leidet die 35-jährige unter Depressionen, die je nach Situation schwächer oder stärker in Erscheinung treten. Doch an jenem schicksalshaften Tag Ende April scheinen sich alle gegen Nora verschworen zu haben. Zuerst stirbt ihr über alles geliebter Tigerkater Voltaire und dann verliert sie auch noch ihren Job beim örtlichen Musikgeschäft "String Theory". Ganze zwölf Jahre, elf Monate und drei Tage arbeitete die Mittdreißigerin in diesem Laden, obwohl die ausgeschriebene Stelle ursprünglich nur zur Überbrückung nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Philosophie-Studium dienen sollte. Als auch noch zu allem Überfluss ihr ehemaliger Bandkollege aus der Jugendzeit ihr Vorwürfe macht, dass sie damals alles hingeworfen hat und auch ihr Bruder deshalb noch immer sauer auf sie ist, fühlt sich Nora am Boden zerstört. Völlig zerstreut geht sie nach Hause und noch in der selben Nacht setzt sie ihr Vorhaben sich das Leben zu nehmen in die Tat um. 
Als Nora die Augen öffnet, befindet sie sich in absoluter Dunkelheit. Nur ein hell erleuchtetes Gebäude steht mitten im Nichts. Total irritiert betritt die ahnungslose Frau das Bauwerk und stellt fest, dass es sich hierbei um eine riesige Bibliothek handelt. Dort wartet bereits Mrs. Elm auf sie, die einstige Schulbibliothekarin bei der sich Nora als Kind immer sehr geborgen fühlte. Die ältere Dame erklärt Nora, dass sie sich hier in der Mitternachtsbibliothek befindet. Ein Ort zwischen Leben und Tod in dem die Zeit um Punkt 00:00 Uhr stehen geblieben ist. All die sich darin befindlichen Bücher, die geordnet in den Regalen stehen sind Portale zu jenen Leben, die der 35-jährigen Philosophin offen gestanden wären, wenn sie sich in den jeweiligen Situationen anders entschieden hätte. Das Leben umfasst Millionen von Optionen. Manche Entscheidungen führen zu kleinen, aber auch zu größeren Veränderungen. So hätte Nora beispielsweise Gletscherforscherin, Olympia-Siegerin oder auch eine erfolgreiche Sängerin in einer Band werden können. 
Durch ihren Suizidversuch hat die Verhaltensphilosophin nun die Möglichkeit, in ihre unterschiedlichen Leben hineinschnuppern zu dürfen, um zu testen, ob sie in einem Paralleluniversum vielleicht glücklicher geworden wäre. Nora die zunächst nichts begreifen kann, probiert ein Leben nach dem anderen aus und während sie dabei ist zu sterben, lernt sie sich immer besser kennen... 

Eigene Meinung:

"Die Mitternachtsbibliothek" ist Matt Haig's neuester Roman, der im Februar 2021 erschienen ist. Wer den Klappentext liest, ahnt bereits, dass dieser Roman keine leichte Kost ist und über Themen wie Depressionen, Suizid und absolute Hoffnungslosigkeit handelt.
Zitat: "Neunzehn Jahre bevor sie beschloss zu sterben, saß Nora Seed in der warmen, kleinen Bibliothek der Hazeldene School in Bedford." 
Ohne große Umschweife wird der Hörer mit diesem ersten Satz der Audiofassung ins kalte Wasser geworfen. Was zunächst als erschreckend empfunden wird, ist gleichzeitig der perfekte Einstieg in die Geschichte. Systematisch lernt man die Protagonistin Nora Seed und ihre Perspektive kennen, in der ihr scheinbar gefrustetes Dasein einer Einbahnstraße des Lebens gleicht. Doch für die Mittdreißigerin hat der Autor mehr geplant als einen schnellen und tragischen Tod. Denn während ihr Körper versucht am Leben zu bleiben, triftet ihr Geist in die Mitternachtsbibliothek ab, in der sie all ihre bereuten Entscheidungen revidieren kann und so in der Lage ist durch das Ausprobieren unzähliger Leben das wahre Glück zu finden. Der Hörer begleitet Nora sowohl in ein Leben als Rockstar, als auch als Gletscherforscherin, Olympia-Siegerin und Rekordhalterin. Doch immer wieder kehrt sie in die Mitternachtsbibliothek zurück. Warum?
Matt Haig kannte ich bereits von seinem Hörbuch "Wie man die Zeit anhält". Erneut war auch dieser Roman sehr tiefsinnig und mit vielen philosophischen Elementen untermalt. Der Autor, der sich mit dem Thema Depressionen auskennt hat von einer ungewöhnlichen Grundidee einen sehr bewegenden aber auch lebensbejahenden Roman verfasst, der mir vom Anfang bis zum Ende sehr gut gefiel. Auch wenn ich mir zu einigen Fragen noch Antworten gewünscht hätte, so ist diese inszenierte Lesung ein absoluter Ohrenschmaus. 
Annette Frier verleiht mit ihrer Stimme dem unsichtbaren eine fassbare Figur und öffnet dem Hörer den Blick zu einem vielseitigen Setting welches in der Gegenwart, der Vergangenheit aber auch in der Zukunft spielt. 
Fazit: "Was wäre wenn?" Matt Haig gibt mit diesem Roman eine tiefgründige, bewegende aber auch hoffnungsgebende und lebensbejahende Antwort zu der Frage, die sich jeder einmal im Leben stellt. 
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternen