Rezension

Das Marschmädchen...

Der Gesang der Flusskrebse - Delia Owens

Der Gesang der Flusskrebse
von Delia Owens

Bewertet mit 4 Sternen

Anfangs hatte ich Mühe, in diie Erzählung hineinzufinden, am Ende ließ sie mich nicht mehr los - bildhafte Naturbeschreibungen u. Einsamkeit...

In den 1960er-Jahren schwirren viele Gerüchte über Kya Clark durch die ruhige Küstenstadt Barkley Cove. Isoliert lebt sie im Marschland mit seinen Salzwiesen, Sandbänken, Buchten. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Zwei junge Männer werden auf die wilde Schöne aufmerksam, und Kya öffnet sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Als einer der beiden tot aufgefunden wird, sind sich die Bewohner sicher: Das »Marschmädchen« ist schuld. (Verlagsbeschreibung)

Endlich habe ich es auch gehört, das Buch, das gefühlt schon jede:r kennt, vielleicht auch nur durch die Verfilmung. Ein oft düsterer Roman über eine eigenwilligen Außenseiterin, die ein Leben in Einsamkeit führt, aber mit einer großen Liebe und Hingabe zur Natur. Kya Clark lebt im Marschland North-Carolinas, im Gebiet der Geächteten und Verlierer, da wo ganz eigene Gesetze gelten.

Erzählt wird die Geschichte auf zwei Zeitebenen, die sich einander allmählich annähern.

Die eine beginnt im Jahr 1952, als die Mutter vor dem gewalttätigen und alkoholkranken Vater flieht und nicht mehr zurückkehrt. Die gerade einmal sechsjährige Kya bleibt mit den älteren Geschwistern und dem Vater alleine zurück in dem Haus in der Marsch, doch nach und nach fliehen auch die Geschwister, bis es nur noch Kya und ihren Vater gibt. Das Mädchen kümmert sich nun um den Haushalt und versucht, den jähzornigen Vater bei Laune zu halten - oder aber sich vor ihm zu verstecken. Als der Vater eines Tages von einem seiner Saufgelage auch nicht wiederkehrt, bleibt Kya ganz alleine in der Marsch zurück. Dieser Erzählstrang folgt dem Leben Kyas in der rauen Wildnis, die sie trotz allem liebt und in der sie den Trost findet, den ihr sonst niemand bietet.

Der andere Handlungsstrang beginnt 1969 mit dem Auffinden der Leiche von Chase Andews, einem stadtbekannten jungen Mann, dessen Tod kein Unfall zu sein scheint. Die Ermittlungen erhärten allmählich den Verdacht, dass das Marschmädchen Kya Clark etwas mit dem Tod von Chase zu tun haben könnte, zumal die beiden einige Jahre lang eine Affäre hatten. Schließlich wird Kya verhaftet, und der Staatsanwalt fordert in dem Gerichtsverfahren die Todesstrafe...

Auch wenn das Gerichtsverfahren gegen Ende viel Raum einnimmt, wird hier in erster Linie über ein Leben erzählt. Ein Leben von einem Mädchen, das alleine groß werden muss, das sich nach Gesellschaft sehnt und diese doch fürchtet. Ihr entgehen nicht die Blicke und Äußerungen der anderen, wenn sie zum Einkaufen in die Stadt muss oder auch an ihrem einzigen Schultag. Geschickt entzieht sich Kya den weiteren Versuchen der Schulbehörde, ihrer habhaft zu werden, bis die Bemühungen eingestellt werden. Zu einem Freund ihres jüngsten Bruders fasst Kya schließlich Zutrauen, und er ist es auch, der ihr das Lesen beibringt. Damit öffnen sich Welten für das Mädchen, und sie kann fortan über all das lesen, was sie an Flora und Fauna umgibt. Ihr Wissensdurst ist unermesslich.

Gerade die bildhaften Naturschilderungen sind es, die das Buch zu etwas Besonderem machen. Vermutlich fließen hier die Kenntnisse und Vorlieben der Autorin ein, die selbst Biologin ist. Delia Owens gelingt es, dass man beim Hören die Marsch mit den Augen von Kya betrachtet, die vielen zarten Details auch der kleinsten Lebewesen, das Schützenswerte dieses Landstrichs. Diese Naturschilderungen nehmen allerdings wiederum viel Raum ein, und so geriet so manch eine Passage für mich auch etwas langatmig. Womöglich wurde dieser Eindruck noch verstärkt durch den recht beschaulichen Vortrag von Luise Helm, die die ungekürzte Hörbuchausgabe (13 Stunden und 4 Minuten) ansonsten versiert liest. Ich hatte jedenfalls etwas Mühe, in die Erzählung hineinzufinden - am Ende jedoch ließ sie mich nicht mehr los.

Ob ich mir nun auch die Verfilmung anschaue, weiß ich noch nicht. Vielleicht irgendwann einmal, wenn meine eigenen Bilder im Kopf zu diesem Roman wieder verblasst sind...

 

© Parden