Rezension

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Eine wunderschöne Erzählung

Der Gesang der Flusskrebse - Delia Owens

Der Gesang der Flusskrebse
von Delia Owens

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die junge Kya hat ein schweres Leben. Nachdem sie von ihrer Familie verlassen wurde, lebt sie als Kind alleine im schäbigen Haus im Marschland und muss sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen um zu überleben. Von den Dorfbewohnern wird sie als Marschmädchen oder Marschgesindel abgestempelt. 20 Jahre später stirbt der allseits beliebte Chase unvermittelt und schnell fällt der Verdacht auf das Marschmädchen. Wieder muss sich Kya, die mittlerweile eine junge, starke Frau geworden ist, gegen die anderen behaupten.

Die Geschichte teilt sich erst in zwei Zeitebenen, die nach und nach ineinander übergehen. Jedes Kapitel wird neben dem Kapitelnamen mit einer Jahreszahl versehen um die Geschehnisse chronologisch einordnen zu können.

Der Anfang in die Geschichte fiel mir zugegebenermaßen etwas schwierig. Das lag vermutlich auch an dem Schreibstil und den abrupten Dynamiken in der Geschichte, in die ich regelrecht reingeworfen wurde. Die Handlung zu Beginn des Buches empfand ich etwas fad und langweilig, auch wenn gerade der Anfang ziemlich traurig und hoffnungslos geschildert wird.

Der Schreibstil ist sehr genau und die zahlreichen Beschreibungen der Natur sind detailliert und einzigartig. Dadurch entsteht eine unvergleichbare Atmosphäre, die das Setting geradezu greifbar macht, als wäre man direkt vor Ort und könnte das Schauspiel der Natur live miterleben. Da habe ich bemerkt, dass die Autorin persönliche Erfahrungen mit der Marsch und der Natur hat und diese gekonnt in die Handlungen einbettet. Deutlich werden auch die zoologischen Bezüge, die vermutlich der Profession der Autorin zu verdanken sind und für mich äußerst interessant und abwechslungsreich waren. Die mehrfachen Vergleiche von Kya zwischen dem Verhalten der Tiere und den Menschen haben mich amüsiert und waren darüber hinaus sehr aufschlussreich.

Kya ist ein Charakter, den ich sofort ins Herz geschlossen habe. Sie ist eine starke Persönlichkeit, die sich nicht entmutigen lässt und zeigt wie groß ihr Überlebenswille ist. Der Einsamkeit geschuldet macht sie einige folgenschwere Fehler, die man ihr verzeihen möge und sie in meinen Augen menschlich machen. Eine bewundernswerte junge Frau, die alles wagt und alles gewinnt. Am Ende offenbart sich noch großes Geheimnis, welches Kya mit ins Grab nimmt. Einige andere Charaktere, die Kya als einzigartigen Menschen sehen und nicht als das komische Marschmädchen betrachten, waren absolut liebenswürdig und ich konnte viele von ihnen ins Herz schließen und Sympathien aufbringen, allen voran Jodie,Tate, Mabel und Jumpin und einige Nebencharaktere.

Den kleinen Kriminalfall, der sozusagen in der Gegenwart bzw. in den späteren Jahren spielt, fand ich zuerst ganz abwechslungsreich, mit zunehmenden Ermittlungen allerdings etwas lächerlich. Die Indizien sind so dünn, dass sie für mich nicht glaubhaft waren. Diesbezüglich hatte ich den Eindruck, man müsse unbedingt einen Schuldigen finden, und da kam, welch Überraschung, das mit Vorurteilen behaftete Marschmädchen gerade recht. Es war mehr Wunsch als Tatsache. Gerade da wird ein Hauptaspekt des Buches deutlich: Vorurteile und Gerüchte über Menschen, die die Dorfbewohner nicht einmal kennen. Und das nicht nur gegenüber dem "Marschgesindel" sondern auch gegenüber Dunkelhäutigen, die in den 50iger und 60iger Jahren wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden.

Die kleine Liebesgeschichte war nichts Innovatives oder Neues, hat mir dennoch gefallen, da sie mich emotional mitnehmen konnte und Kyas Glück mich gefreut hat.

Zwar werden viele Klischees eingebettet, allerdings empfand ich diese als sehr realistisch und passend, sodass mich das nicht im Geringsten gestört hat.

 

Fazit: Ein atmosphärisch dichter Roman mit einer starken und mutigen Protagonistin, die trotz aller Widrigkeiten ihr Glück dort findet, wo die Flusskrebse singen. Absolut lesenswert!