Magie und Mythos
Bewertet mit 4 Sternen
Denk ich an die Stimmung, die dieses Buch transportiert, dann denk ich an an das tiefe Rot eines Likörweins, ruhig, sinnlich, Brombeere und süße Gewürze. Ayanna Lloyd Banwo beginnt das Buch mit einem alten Mythos, der Vögel (Corbeaux) und Menschen und den Tod miteinander verbindet und die Magie, sie funkelt durch das ganze Buch.
"Als wir Vögel waren" erzählt eine Liebesgeschichte - könnte man meinen. Es geht um einen Mann, Emmanuel, Rastafari und seit neustem Totengräber auf dem jahrhundertealten Friedhof Fidelis in Port Angeles, Trinidad. Und um eine Frau, Yejide, deren Mutter im Sterben liegt und die eine besondere Gabe vererbt bekommt. Es geht um eine unwahrscheinliche, sinnliche Begegnung zwischen den beiden, allerdings findet diese erst so spät im Buchverlauf statt, dass die "Liebesgeschichte" irreführend ist. Über weite Strecken des Buches geht es stattdessen um Schicksal und Verlust, um die Verbindung zu den Toten, um Wurzeln und Flügel, das Herauswachsen aus den eigenen Begrenzungen. Wir begegnen Geistern und Familiengeschichte, Müttern und Stürmen, Liebe in ihren vielen Facetten. Die Charaktere sind sanft erzählt und Trinidad wird als karibische Insel in seiner Pracht und seinen ökonomischen Abgründen erzählt, dieser spezielle vibe macht definitiv Lust auf mehr!
So viele ansprechende Zutaten und doch musste ich mich beim Lesen dieses Debüts manchmal zusammenreißen, um nicht querzulesen, da gefühlt auf vielen Seiten der Plot nicht wirklich vorangetragen wird und sich die Geschichte teilweise in Erklärungen verliert. Demgegenüber geht es im letzten Drittel von 0 auf 100, noch etwas Krimi und dann ist Schluss - gerade für die Nebencharaktere kommt das Ende abrupt. Insgesamt fiel es mir daher schwer, mich auf das Erzähltempo einzulassen. Die tolle Stimmung macht aber wirklich viel wett, bringt eine ganz eigene Fülle mit sich und Literatur aus der Karibik darf sehr gerne mehr Aufmerksamkeit bekommen!