Rezension

Potential nicht ganz ausgeschöpft

Wie man sich einen Lord angelt -

Wie man sich einen Lord angelt
von Sophie Irwin

Die Grundidee ist wirklich süß, die Umsetzung hat mich aber nicht ganz abholen können.

„Der Lady’s Guide – Wie man sich einen Lord angelt“ ist ein historischer Liebesroman der seine Leser direkt ins Herz der Londoner Ballsaison des Jahres 1818 transportiert. Auf diesem gesellschaftlichen Mienenfeld der High Society muss jeder Schritt sitzen, jede Locke muss perfekt gelegt, das Benehmen tadellos sein. Es gilt ganz schön viel zu lernen über die Regeln und Konventionen dieser schillernden, makelfeindlichen Parallelwelt und ein Fehltritt kommt für Miss Kitty Talbot nicht in Frage. Dafür hängt viel zu viel von dem Erfolg ihres Vorhabens ab.
Nach dem Tod beider Eltern stehen die Talbot-Schwestern vor dem finanziellen Ruin. Unmöglich lassen sich die horrenden Spielschulden des Vaters aus eigener Kraft begleichen. Kitty, die älteste der Schwestern, sieht nur eine Option, um ein solches Schicksals abzuwenden. Sie muss reich heiraten. Und wo ließe sich ein besserer Kandidat für dieses Vorhaben finden als auf den Bällen der Lords und Ladys in London.

Wundersamerweise findet sich schon bald ein wohlhabender Junggeselle, den die unkonventionelle junge Frau von sich begeistern kann, doch hat sie dabei nicht die Rechnung mit seinem älteren Bruder gemacht. Lord Radcliff durchschaut Kittys Absichten sofort und ist fest entschlossen seinen kleinen Bruder vor dieser Heiratsschwindlerin zu beschützen. Allerdings täte er gut daran, die Entschlossenheit Kittys nicht zu unterschätzen...

Mein Fazit zu diesem Roman fällt insgesamt ganz gut aus. Die äußere Gestaltung ist wirklich gelungen und obwohl ich persönlich kein Fan von Personen auf Covern bin, finde ich die Aufmachung hier schön gemacht. Auch das Innenleben ist mit viel Detailliebe behandelt worden und macht dieses Buch durchaus zu einem Hingucker.
Inhaltlich hat mich dieser erste Teil des Lady’s Guide nicht vollständig abholen können. Die Idee, die der Handlung zugrunde liegt, hat mir echt gefallen und auch die Bewerbung als Kombination von Jane Austen und Bridgerton weckte auf Anhieb meine Neugierde. Alles in allem konnte der Roman aber nicht die Begeisterung wecken, die ich mir gewünscht hätte.
Der Schreibstil ist okay, lässt sich flüssig und angenehm lesen und ist in weiten Teilen auch bildhaft genug, dass die Vorstellungskraft geweckt wird. Nicht ganz so gefallen haben mir die teilweise willkürlich auftretenden Perspektivwechsel. Grundsätzlich mag ich solche Wechsel sehr, allerdings war in diesem Fall für mich nicht immer nachzuvollziehen, dass gerade einer stattgefunden hat. So beginnt man ein Kapitel aus der Sicht Kittys und liest dann auf einmal aus Radcliffs Perspektive weiter. Da hätte ich mir einfach etwas mehr Trennschärfe gewünscht.
Zuletzt hat es sich beim Lesen auch sprachlich nicht immer authentisch angefühlt.

Die Handlung fand ich alles in allem okay. Auf jeden Fall unterhaltsam mit seinen Wendungen und kleineren Kniffen, aber eben auch mit Längen. Abgesehen von den Ereignissen am Ende hatte ich mehr das Gefühl, eher einer Abfolge von Ereignissen zu folgen als einem sorgfältig ausgetüftelten Spannungsbogen. Das Buch schlägt definitiv mehr auf die Austen-Seite und porträtiert eine etwas Realitäts-nähere Liebesgeschichte als zB die Bridgerton Romane. Dieser Aspekt hat mir tatsächlich sehr gefallen. Kittys Kampf gegen ein beschädigtes Familien-Image und ihre Bereitschaft alle Gedanken an Romantik beiseitezuschieben, um das zu tun, was für die Familie am besten ist, wurde sehr überzeugend dargestellt.

Schade auf der anderen Seite war, dass es meiner Ansicht nach nicht gelungen ist, Kitty über diesen Kampf hinaus auszugestalten. Sie war mir nicht direkt unsympathisch, aber als Protagonistin einfach zu unausgewogen. Natürlich startet sie in einer schrecklichen Lage und muss auf gewisse Weise skrupellos vorgehen, um ihre Familie zu retten, aber mir hat die Emotionale Verbindung zu ihr gefehlt, um diesen Aspekt auszubalancieren. So wirkte sie auf mich überwiegend „nur“ skrupellos, selbstmitleidig, berechnend und manipulativ. Umso mehr, wenn man sie einer durch und durch arglosen und lieben Person wie Archie de Lacy gegenüberstellt.  
Gegenüber von Radcliff hat sich das gebessert, weil er offensichtlich die einzige Person war, die sie nicht ohne weiteres blenden oder austricksen konnte. Trotzdem hat mir auch hier die Emotion gefehlt. Die meiste Zeit konnte ich die Chemie zwischen Kitty und Radcliff einfach nicht spüren, was sehr schade war.

Versteht mich nicht falsch, das klingt jetzt vermutlich alles sehr kritisch, aber ich will damit nicht sagen, dass es ein schlechtes Buch oder nicht lesenswert war. Das ist es nicht. Es hat durchaus Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen und der Ladys Guide hat definitiv Unterhaltungsfaktor. Die Charaktere sind insgesamt sympathisch und es gibt hie und da etwas mitzufiebern. Mir persönlich hat allerdings einfach dieses gewisse Etwas gefehlt, dass die Geschichte besonders oder einprägsam macht, dieses Etwas, das einen mitreißt und emotional an die Geschichte bindet. Trotzdem ist „Wie man sich einen Lord angelt“ ein schönes Buch für zwischendurch und ist durchaus einen Blick wert!