Rezension

Toll umgesetzte Gesellschaftsanalyse

Die spürst du nicht -

Die spürst du nicht
von Daniel Glattauer

Bewertet mit 4 Sternen

Autor: Daniel Glattauer, Genre: Fiktion, Verlag: Zsolnay Verlag, ISBN: 978-3-552-07333-3, 1. Auflage 2023, 304 Seiten, Preis Hardcover € 25,0=

Die Binders und die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven Urlaub in der Toskana. Tochter Sophie Luise, 14, durfte gegen die Langeweile ihre Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune gechillt, kommt es zur Katastrophe.
Was ist ein Menschenleben wert? Und jedes gleich viel? Daniel Glattauer packt große Fragen in seinen neuen Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und in dem er all sein Können ausspielt: spannende Szenen, starke Dialoge, Sprachwitz. Dabei zeichnet Glattauer ein Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft, entlarvt deren Doppelmoral und leiht jenen seine Stimme, die viel zu selten zu Wort kommen.

Familie Strobl-Marinek und die befreundete Familie Binder, nehmen die Schulfreundin ihrer Tochter, ein Flüchtlingskind aus Somalia mit in ihren Toskanaurlaub. Elisa Strobel-Marinek, Mutter und Grünen Abgeordnete, als zukünftige Ministerin gehandelt, verwendet viel Überredungskunst um Aayana, die Freundin ihrer Tochter Sophie Louise überhaupt mitnehmen zu dürfen. 

Sophie Louise plant Aayana das Schwimmen beizubringen und ihr so zu einem nicen Stück Freiheit zu verhelfen. Dummerweise ertrinkt Aayana unbemerkt im Pool und löst eine Kette gesellschaftlicher Reaktionen aus.

Dieses Buch ist mein erster Glattauer und ich bin verliebt in seinen Wiener Schmäh. Mit großer Ironie spürt er gesellschaftliche Konventionen auf, die polarisieren. Die einen stehen auf der Seite der Grünen Politikerin, die alles richtig gemacht zu haben scheint, die anderen wollen sie hängen sehen. Die wenigsten lassen sich von der Flüchtlingsfamilie berühren. 

Überraschend gelungen ist Glattauer die Darstellung von Sophie Louise. Da versetzt sich einer in die Jugend und weiß das zu zeigen, wie kein anderer. Kurz erinnerte ich mich daran, wie aufgedreht ich selbst als Jugendliche einmal war. 

Ein wenig betrüblich fand ich, dass er während der Gerichtsverhandlung Aayanas Mutter befragen lässt, aber nicht die richtigen Worte findet, mich mit deren Schicksal, das furchtbarer nicht sein könnte, zu berühren.

Zitat: Alles in allem eine gelungene, lesenswerte Geschichte.

Daniel Glattauer 1960 in Wien geboren, schrieb mehrere Bestseller.