Rezension

Das Wert eines Kinderlebens

Die spürst du nicht -

Die spürst du nicht
von Daniel Glattauer

Die beiden wohlhabenden und privilegierten Familien Binder und Strobl-Marineks verbringen mit ihren Kindern einen exklusiven Urlaub in einer toskanischen Villa. Damit sich Sophie Luise, die 14-jährige Tochter der Strobl-Marineks, nicht langweilt, nehmen sie ihre Klassenkameradin Aayana, ein Flüchtlingskind aus Somalia mit. Sophie Luise möchte ihr das Schwimmen beibringen. Bereits am ersten Tag, als die Binders und die Strobl-Marineks sich gerade erst in der Villa eingefunden haben, passiert ein tragischer Unfall, der den Urlaub jäh beendet und die Leben der Familien maßgeblich verändert.

Daniel Glattauer thematisiert in "Die spürst du nicht" vor allem die Privliegien unserer wohlhabenden Gesellschaft in Relation zu der Ungerechtigkeit und dem zweierlei Maß, mit dem gegenüber Flüchtlingen und Migrant*innen gemessen wird. Ausschlaggebend für das abgebildete Sittenbild ist der tödliche Poolunfall und der anschließende Umgang damit - innerfamiliär, politisch, gesellschaftlich, medial und juristisch. Glattauer lässt sämtliche Perspektiven und Figuren zu Wort kommen, unter anderem Journalist*innen in Form von Zeitungsartikeln und die breite Masse der Bevölkerung in Form von Kommentarspalten. Dass es sich darin um populistische Äußerungen handelt, dürfte niemanden wundern. Über allem schwebt die Frage nach Schuld und nach dem Wert eines (Flüchtlings-)Kinderlebens.

Die gewählten Stilmittel, die sprachliche Umsetzung und die vielfältige und pointierte Figurendarstellung haben mich beeindruckt. Es handelt sich hier um schwere Kost, die ein erschreckendes Abbild unserer Gesellschaft ist. In diesen Spiegel mag sicherlich nicht jede*r (gleich) gern schauen.