Rezension

Action, Horror und Mysterien - aber leider Mängel im Spannungsbogen

Palast der Finsternis - Stefan Bachmann

Palast der Finsternis
von Stefan Bachmann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Fünf Jugendliche erhalten die Chance, bei der Erkundung eines archäologischen Superfundes, ein unterirdischer Palast aus der Zeit der französischen Revolution, dabei zu sein. Mit ihrer Ankunft in Frankreich kommen der 17jährigen, hochintelligenten Anouk Zweifel, ob es bei der Aktion mit rechten Dingen zugeht. Ihre Gastgeber erscheinen mehr als zwielichtig. Die Dinge laufen bald aus dem Ruder und Anouk und die anderen - Will, Jules, Hayden und Lilly - befinden sich plötzlich auf der Flucht in einem alptraumhaften Labyrinth.

Stefan Bachmann war für mich kein Unbekannter. Den ersten Teil seiner Steampunk-/Fantasy Dilogie („Die Seltsamen“/“Die Wedernoch) hatte ich gelesen, ein paar Punkte zu bemängeln, aber mein Interesse an dem damals 18jährigen war geweckt. Ein Schreibtalent, keine Frage. Mit einer beeindruckenden Phantasie und der Fähigkeit, Bilder gekonnt in Sprache zu übersetzen. Kein Wunder also, dass mich die Leseprobe zu seinem neuen Buch „Palast der Finsternis“ regelrecht aus den Socken gehauen hat. Dazu die Thematik - es klang genial.

In der Gegenwart erleben wir das Geschehen aus der Sicht von Anouk, ein Teenager mit der Persönlichkeit einer schlechtgelaunten Kickass-Heldin, die mehr als genervt ist, plötzlich auf die Unterstützung anderer angewiesen zu sein. In der Vergangenheit erzählt Aurélie, eine von vier Töchtern der adeligen Familie Bessancourt, die kurz vor der Belagerung durch das aufgebrachte Volk vom Vater gedrängt wird, sich samt Mutter und Schwestern in den geheimen unterirdischen Palast zu flüchten.

Die bedrohliche Rätselhaftigkeit dieses Palastes funktioniert als Anheizer perfekt. Bachmanns Metaphern senden permanent Bilder an das Gehirn des Lesers; Bilder einstigen pompösen Reichtums und Bilder des Verfalls und der Dekadenz. Auf den ersten 100 Seiten war ich völlig gebannt! Spannungs- und Unterhaltslevel sind extrem hoch. Noch dazu gelingt es dem Autor authentisch zwischen den Erzählebenen zu wechseln, mal den rotzig-spröden Ton von Anouk sowie die schickliche Art des Adelsmädchens Aurélie zu treffen. Vor allem Anouk verleiht er trotz des schnell an Tempo gewinnenden Plots eine überzeugende Tiefe, die mich sehr für die eigentlich recht verschlossene Figur eingenommen hat, wenngleich die übrige Buchbesetzung vergleichsweise blass bleibt.

Die Geschichte kippt für mich, so leid mir das tut, allerdings in dem Moment, in dem der erste Deus-ex-machina in Erscheinung tritt - gleich nach dem ersten Abendessen. Wie schon in „Die Seltsamen“ mischt sich der Zufall zu oft in die Abläufe ein. So unterhaltsam sich das Ganze liest, hier geht viel Spannung verloren. Gefühlt war es ein ständiges Auf und Ab plötzlicher Bedrohung und Rettung in letzter Sekunde, was mich irgendwann nicht mehr wirklich packen konnte. Die Auflösung wird in meinen Augen auch zu spät angegangen, während sich im Mittelteil eine gewisse Gleichförmigkeit aus surrealen, schockierenden Bildern und den erwähnten Fluchtmomenten breitmacht. Statt bis zum Ende mit dem großen Knall zu warten (der sich ab einem bestimmten Zeitpunkt andeutet), wäre es für mich interessanter gewesen, zu erleben, wie Anouk und ihre Freunde pfiffiger und schneller die richtigen Schlüsse ziehen.

Der Plot schießt für meinen Geschmack insgesamt ein bisschen zu weit über’s Ziel hinaus, auch wenn die Botschaft auf den letzten Seiten nochmal löblich ist. Ansätze von The Cube, Panem, Horror, diversen Gothic Novels und Computerspielen ergeben zusammen einen Mix, der schon irgendwie abgefahren ist, auf mich aber auch merkwürdig und überbordend wirkte.

Fazit: „Palast der Finsternis“ ist ein Lesetipp für Freunde des Schauerromans, der spannende, unterhaltsame Stunden verspricht. Im Mittelteil knickt die Geschichte aber unter der gewaltigen, wie ich finde, etwas eintönigen Bilderflut ein und insgesamt werden zuviele groteske Details ins Rennen geschickt. Dass Bachmann zu erzählen weiß, ist dabei unbestritten. Ausprobieren!
3,5 Punkte