Rezension

"Ein Querkopf, ein Bergler, ein Wilderer"

Tell
von Joachim B. Schmidt

Bewertet mit 5 Sternen

Mit seiner Neuerzählung der Tell-Sage entführt Joachim B. Schmidt den Leser in eine archaische und raue Welt. Wilhelm Tell lebt in ärmlichen Verhältnissen mit seiner Familie auf einem Bergbauernhof. Um zu überleben muss er wildern, doch das Wild gehört per Gesetz dem Landvogt Gessler. Dessen Soldaten und besonders deren Anführer Harras scheuen keine Konfrontation und so kann ein Blutvergießen zwischen ihnen und Tell nur knapp verhindert werden. Als Tell schließlich eine Kuh verkaufen möchte, weigert er sich auf dem Viehmarkt, den Hut des Landvogts zu grüßen. Was als Bestrafung folgt, ist der berühmte Apfelschuss. 

Schmidts Roman ist lebendig. Er besticht durch eine moderne Sprache, die die Legende um Wilhelm Tell zugänglich macht, die zeitliche Distanz zu ihr überbrückt und sie dadurch nah wirken lässt. Die verschiedenen Figuren aus Tells Umfeld, die in den kurzen Kapiteln sprechen und denken, tragen außerdem dazu bei, dass die Geschichte schnell eine Vielschichtigkeit, Tiefe und Dynamik entwickelt. Schmidt porträtiert Tell durch Fremdperspektiven und lässt ihn so als einen wortkargen, grimmigen, aber auch furchtlosen, entschlossenen und unnachgiebigen Mann in Erscheinung treten. Er bleibt für den Leser interessant, das Sagenhafte scheint ihm schon anzuhaften.  

“Tell” ist eine gelungene Neuerzählung, die die Legende des Schweizer Nationalhelden einer heutigen Leserschaft auf unterhaltsame Weise nahebringt. Unter Schmidts Feder nimmt die Geschichte eine aktualisierte Form an, die lesenswert ist und es nicht nötig hat, dass man sie mit filmischen Vergleichen bewirbt, wie der Verlag dies im Klappentext tut. Schmidts “Tell” muss sich nicht hinter “The Revenant” oder “Braveheart” verstecken. Ganz im Gegenteil!