Rezension

Ein Blendwerk

Tell
von Joachim B. Schmidt

Bewertet mit 2 Sternen

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Wilhelm Tell?
Das Schweizer Nationalepos; Stoff, für unzählige Schulstunden in Deutsch, dank Friedrich Schiller; eine Mär von Freiheit und Gerechtigkeit.

Joachim B. Schmidt nun nimmt sich der Geschichte an, will sie entstauben und eine Action- haltige Erzählung daraus machen. Voila, hier haben wir „Tell“!
Begeisterung aller Orten, mit wenigen Ausnahmen, stellt sich ein, der Diogenes Verlag wirbt sehr clever mit Schlagworten, wie:“ The Revenant in den Alpen“, „Blockbuster in Buchform“, „Game of Thrones in Altdorf“.

Das sollte Verkaufszahlen steigern, ein gutes Buch macht diese Werbung noch nicht…

Joachim B. Schmidt erzählt die Legende des Schweizer Freiheitskämpfers Wilhelm Tell, als vielstimmiges Portrait eines ruppigen, einfachen Bergbauern, der es mit der Obrigkeit der Habsburger aufnimmt, aus einer Art Gerechtigkeitssinn und wider Willen zum Helden wird. Diverse Personen geben im Roman ihre Sicht der Dinge wieder, Tell selbst kommt erst ganz zum Schluss zu Wort. In kurzen Abschnitten springt Schmidt von einer Person zur anderen und lässt atemlos und mit einer gewissen Redundanz, das Geschehen beleuchten. 
Diese Art der Erzählung führt leider dazu, dass alle Personen sehr ähnlich in ihrer Tonalität klingen und dass man sich nie wirklich auf einzelne Protagonisten einlassen kann. Die bei näherer Betrachtung doch sehr simple Geschichte, erfährt leider auch stilistisch keine Tiefe, da alle Personen seltsam gestelzt daherreden, was besonders bei Tells Sohn Walter ins Gewicht fällt, da dieser sich permanent altklug und zu gebildet anhört. 
Die Dialoge sind wahrscheinlich schon auf eine Adaption für eine Netflix Serie ausgelegt. Ständig stoßen die Personen Laute, wie:“Uff“, „Da“, „Verfluchtes Weib!“ etc. aus. Die Dichte an Ausrufezeichen ist inflationär!
Zudem gibt es noch blutige Gemetzel, Vergewaltigungen, einfältige Bösewichte, Mythen und Tiere. 
Das ist schnell konsumiert, führt vielleicht auch den jüngeren Menschen an Wilhelm Tell heran, herausragend ist das alles jedoch nicht.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. Mai 2022 um 15:00

Hahaha. Es kann nicht sein, dass ein Roman jedem gefällt.

Kleine Anmerkung: Es ging doch nicht um Charaktere. Sondern darum, eine Sage anfassbar zu machen.

Himmelfarb kommentierte am 12. Mai 2022 um 18:26

Das funktioniert aber doch auch über Charaktere!