Rezension

Stark

Tell
von Joachim B. Schmidt

Bewertet mit 4 Sternen

Der Autor Joachim B. Schmidt hat die Sage rund um den Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell neu aufgelegt und modernisiert. In kurzen Sequenzen mit wechselnder Perspektive erlebt der Leser Tells Geschichte aus der Sicht diverser Figuren. 

 

Obwohl mir der rasche Tempowechsel zunächst erschwerte, den Überblick zu behalten, sorgte er für einen intensiven Sog. Ich konnte den Roman kaum noch aus den Händen legen. Die Figuren sind vielfältig gestaltet und jede Bevölkerungsschicht ist vertreten. Hierdurch erhält der Leser einen guten Einblick in damalige Verhältnisse. Darüber hinaus ermöglicht die Schilderung aus Sicht der Figuren einen emotionalen Zugang zu der Sage rund um Wilhelm Tell. Wilhelm Tell selbst tritt bei Joachim B. Schmidt als grimmiger, nahezu aggressiver Anti-Held auf, weshalb ich anfangs große Schwierigkeiten hatte, die Lektüre für mich anzunehmen. Für mich war Wilhelm Tell stets der strahlende Held. Im Laufe der Geschichte habe ich die Art und Weise der Erzählung und Darstellung aber als sehr raffiniert und interessant kennen gelernt. Denn der Roman erweitert die Sage von Wilhelm Tell um mehrere Ebenen. Insbesondere durch die wechselnden Perspektiven wird gezeigt, was für ein Mensch hinter dem Nationalhelden Wilhelm Tell steckt bzw. gesteckt haben könnte. Der Held wurde nachfolgend zum Menschen und deutlich nahbarer. Dies eröffnet neue Perspektiven und hat mir ausgesprochen gut gefallen, denn der Roman setzt sich hierdurch stark von Schillers Werk ab. Durch die Neuinterpretation der Sage und den modernen, eindringlichen Sprachstil wird Wilhelm Tell meines Erachtens auch jüngeren Generationen nahe gebracht. Etwas vermisst habe ich allerdings tiefere Einblicke in die historischen und politischen Begebenheiten, was aber sicherlich Geschmackssache ist. 

 

Fazit: Ein zusammenfassend sehr Sog ausübender, starker Wilhelm Tell Roman, dessen moderne Neuinterpretation ihn auch der jüngeren Generation zugänglich macht.