Rezension

Wer war Tell?

Tell
von Joachim B. Schmidt

Bewertet mit 5 Sternen

"Tell" von Joachim B. Schmidt ist ein ganz besonderes Buch, es ist eine Nacherzählung von der Tell-Sage und doch ist es etwas ganz anderes, etwas eigenständiges. Das Buch funktioniert unabhängig davon, ob man den "Tell" von Schiller gelesen hat oder nicht. In weiten Teilen lehnt sich dieses Buch hier an die Sage über den Schweizer Freiheitskämpfer und Volkshelden an.
Das besondere an diesem Buch ist der Schreibstil, es sind ganz kurze Kapitel zu lesen und diese wechseln sich jeweils in der Perspektive ab. Erzählt wird jeweils in der Ich-Form von der Mutter, dem Sohn, der Ehefrau, dem Pfarrer, einzelnen Soldaten der Habsburger, dem Landvogt und noch vielen anderen. Das macht die Lektüre sehr abwechslungsreich, da wir durch sehr viele Augen auf das Geschehen blicken und sich die Geschichte Stück für Stück, wie ein Puzzle vor uns aufbaut. Das hat eine gewaltige Wucht.
Wilhelm Tell ist ein verschlossener, wortkarger Charakter und das Leben auf dem einsamen Bergbauernhof bietet mehr Probleme als nur ein Braunbär vor dem Haus und eine leere Speisekammer. Alle diese Probleme und das Leben dort bekommen ihren Raum, da wird ein total spannender Erzählbogen gespannt.
Da jede der Personen ja für sich selber spricht, steigt man tiefer in deren Denken und Lebensumstände ein, man bekommt hier mehr als schwarz und weiß geliefert, sondern sehr viele Abstufungen des Lebens.
Mich hatte diese Geschichte von Beginn an gepackt und nicht mehr losgelassen, für mich war sie spannend, berührend, beängstigend und lehrreich zugleich, ein kleines Meisterwerk.