Rezension

Held wider Willen

Tell
von Joachim B. Schmidt

Bewertet mit 5 Sternen

Eigentlich sind es nur wenige Tage, die Joachim B. Schmidt in seinem Buch erzählt, aber sozusagen nebenher wird über eine jahrelange Vorgeschichte berichtet und was in den Jahren danach passierte. Der Kern des Buches ist die eigentliche Tell-Geschichte, die wir während der Schulzeit aus einem Reclam-Heftchen kennengelernt haben. Auch bei Schmidt finden wir den Hut auf der Stange und den Apfelschuss. Aber die Charaktere sind anders, ich möchte sagen realistischer, gezeichnet. Gessler ist nicht der unbarmherzige Landvogt, als den ich ihn in Erinnerung hatte. Tell ist ein mürrischer und verschlossener aber jähzorniger Mann, der sich eigentlich nur um seinen Hof und seine Familie kümmern will. Die Situation eskaliert, als Tell zusammen mit seinen beiden Söhnen eine Kuh in der nächsten Stadt verkaufen will, um mit dem Erlös die Familie über den Winter zu bekommen.

Schmidt erzählt in seinem bekannten Stil mit knappen einfachen Sätzen, den wir schon von "Kalmann" kennen. Das heißt, eigentlich lässt Schmidt seine Figuren erzählen. Das ganze Buch ist in viele kurze Abschnitte aufgeteilt von zum Teil nur einer knappen Seite Länge. In jedem dieser Abschnitte erfahren wir den Fortgang aus der Sicht einer bestimmten Person, deren Name jeweils drüber vermerkt ist. Dabei wird manchmal dieselbe Situation von verschieden Seiten beleuchtet oder die Geschichte wird einfach aus anderer Sicht fortgesetzt.

Schmidt rüttelt an der schweizerischen Tell Sage. Bei ihm wird daraus ein Antiheld, ein Held wider Willen. Für mich war dies Buch ein ein-Tag-Buch. Ich habe es an einem Tag gelesen, weil es mich einfach gefesselt hat. Also von mir eine unbedingte Leseempfehlung.