Rezension

Gefährliche Experimente

Teufelsgrinsen - Annelie Wendeberg

Teufelsgrinsen
von Annelie Wendeberg

Annelie Wendebergs Erstlingsroman „Teufelsgrinsen“ spielt in London im Jahr 1889. Dr. Anton Kronberg, Englands führender Bakterioloe und Epidemiologe, der im Guy`s Hospitel arbeitet, wird von Inspektor Gibson von Scotland Yard zu den 1852 erbauten Hampton Wasserwerken gerufen. Möglicherweise ist der Tote, der im Kanal trieb, an Cholera gestorben. Da Cholerafälle öfter auftraten, hatte Dr. Kronberg häufiger das Vergnügen, mit den Kriminalinspektoren der Metropolitan Police zusammenzuarbeiten. ("Es war ein gut gemischter Haufen Männer, deren geistige Schärfe zwischen der eines Buttermessers und der einer überreifen Pflaume variierte. Inspektor Gibson gehörte zu der Pflaumenkategorie." S. 12) Gleichfalls vor Ort ist der beratende Detektiv Mr Sherlock Holmes. Er entdeckt in wenigen Augenblicken Dr. Kronbergs Geheimnis. Anton ist eigentlich Anna Kronberg, eine junge Frau aus Sachsen in Deutschland. Frauen war es in Deutschland zur damaligen Zeit verboten, einen akademischen Grad in Medizin zu erwerben. Sie galt als Männerdomäne und sollte Holmes ihre wahre Identität preisgeben, würde Anna ihren Wohnsitz verlieren, deportiert werden und in Deutschland im Gefängnis landen. Abends wechselt sie ihre fingierte Identität, dann ist sie Witwe und Krankenschwester und behandelt während nächtlicher Ausflüge ihre kranken Nachbarn. Holmes und Anna finden bei der Obduktion heraus, dass der Tote an Cholera im Endstadium erkrankt war, jedoch an Tetanus gestorben ist. Scotland Yard schließt schnell die Akte, so dass Holmes und Anna auf eigene Faust ermitteln müssen. Ihre Ermittlungen führen sie in die Irrenanstalt Broadmoor, die Anna wegen ihrer jährlichen Hygieneinspektionen kennt und sie kommen furchterregenden medizinische Experimenten auf die Spur die mit hochgradig gefährlichen Bakterien an den Ärmsten der Armen gemacht werden.
„Teufelsgrinsen“ von Annelie Wendeberg beginnt in alter Sherlock-Holmes-Tradition. Jedoch ist Holmes nicht der Mann, den wir aus den Geschichten von Sir Arthur Canon Doyle kennen. Es ist die Zeit des französischen Naturwissenschaftlers Louis Pasteur und des deutschen Arztes Robert Koch, die große Zeit der Bakteriologie und die Zeit der nächtlichen Leichenräuber, denn Anatomen beklagen seit Jahren einen Mangel an Leichen. “Manche Ärzte haben regelrecht Bestellungen abgegeben - schwangere Frauen, Kinder, Neugeborene und deformierte Menschen.“ (S. 82/83) Die Autorin ist von Haus aus Umweltmikrobiologin und lässt wissenschaftlich fundiertes Wissen in ihren Roman einfließen, nicht als trockene Theorie, sondern als Hintergrund eines gut konstruierten Kriminalromans. Auch sprachlich hat mich ihr Debütroman überzeugt. Wendeberg schreibt ausgesprochen witzig. Der Roman liest sich so gut, dass es ruhig ein paar Seiten mehr hätten sein können. Anna ist eine clevere, sympathische und ausgesprochen unabhängige Protagonistin mit scharfem Verstand, die zwar mit ihren Identitätsproblemen kämpft und Schreckliches in der Vergangenheit erlebt hat, jedoch ihrer Zeit um einiges voraus ist. Sie kann gegen Holmes bestehen, der ein außergewöhnlicher Detektiv ist. Beide sind ebenbürtige Partner. Die Charaktere sind überzeugend gezeichnet, und der Leser bekommt interessante Einblicke in die medizinische Entwicklung der damaligen Zeit. Ich freue mich auf die Fortsetzung und empfehle den Roman gern weiter.