Rezension

Interessanter Roman, nicht nur wegen Sherlock Holmes

Teufelsgrinsen - Annelie Wendeberg

Teufelsgrinsen
von Annelie Wendeberg

Bewertet mit 4 Sternen

London, 1889: Als ein offensichtlich Cholera-Kranker in einem Wasserreservoir gefunden wird, wird neben Dr. Anton Kronberg, Spezialist für Infektionskrankheiten, auch Sherlock Holmes von der Polizei hinzugezogen. Bei der Obduktion findet der Arzt heraus, dass der Tote auch noch an einer weiteren Infektionskrankheit litt und offenbar vor seinem Tod gefangen gehalten wurde. Was ist ihm passiert? Kronberg und Holmes ermitteln gemeinsam …

Wer kennt nicht Sherlock Holmes? In diesem Roman kann man ihn einmal von einer etwas anderen Seite kennen lernen, die, wie ich finde, aber durchaus zu ihm passt. Schön auch, dass andere Charaktere aus dem Holmes-Universum ebenfalls Eingang in den Roman gefunden haben, allen voran Dr. Watson, der allerdings zur Zeit der Ereignisse im Roman nicht mehr bei Holmes wohnt, so dass durchaus Platz für einen neuen Begleiter ist. Herrlich auch die Szene, in der Kronberg einen Sherlock-Holmes-Roman liest und regelrecht zerpflückt!

Die Charaktere sind gut ausformuliert, vor allem Kronberg, der ein brisantes Geheimnis mit sich herumträgt (das Holmes natürlich ruckzuck entdeckt), lernt der Leser ziemlich gut kennen. Vor allem durch sein Geheimnis ist er auch besonders interessant und ich freue mich, dass wir ihn auch noch in weiteren Romanen treffen werden. Holmes dagegen lernt man weniger gut kennen, da nimmt sich die Autorin etwas zurück – und tatsächlich werden die meisten Leser ja schon einiges über ihn wissen, eine Erklärung z. B., wer Irene Adler ist und wie sie zu ihm steht, ist daher nicht unbedingt nötig. Wer da mehr wissen will, kann auch googeln. Schön finde ich, dass Kronberg Holmes ebenbürtig ist, auch intellektuell, und diesem daher ordentlich Kontra gibt.

Was mir persönlich sehr gut gefallen hat, ist die Sozialkritik des Romans, vor allem, was die medizinischen Verhältnisse angeht, auch bei der Auflösung nimmt diese einen großen Raum ein.

Die Sprache erscheint der Zeit angepasst, der Roman lässt sich sehr flüssig lesen, ich hatte ihn an einem Tag durchgelesen. Interessant ist, dass Annelie Wendeberg, obwohl Deutsche, den Roman zunächst auf Englisch veröffentlicht hat und dieser erst später ins Deutsche übersetzt wurde, wobei die Autorin, nach eigener Aussage, Mitspracherecht hatte.

Die Auflösung ist logisch aber auch abzusehen, Spannung schöpft der Roman weniger aus dem Ermitteln des Täters sondern eher aus der Einbeziehung der Charaktere, denn beide, Kronberg und Holmes, riskieren sehr viel, um den Täter zur Rechenschaft zu ziehen. So ist der Roman auch nicht ein, von mir eigentlich erwarteter, waschechter Kriminalroman sondern eher ein Detektivroman mit einer guten Portion Sozialkritik und Charakterstudie. Gegen Ende fehlt mir allerdings ein bisschen die Deutlichmachung der Motivation Kronbergs, außerdem gibt es ein paar Ereignisse, die in meinen Augen entbehrlich gewesen wären, da sie die Geschichte nicht weitergebracht haben (z. B. ein Überfall auf Kronberg).

Insgesamt ein interessanter Roman, der sich anders entwickelt als erwartet, aber spannend und lesenswert ist. Holmes passt gut zur Geschichte und wird wohl auch noch für weitere Romane mit Kronberg erhalten bleiben. Ich kann den Roman an alle empfehlen, die gerne historische (Kriminal)Romane lesen.