Rezension

Das unvermeidbare Scheitern einer Lobeshymne

Papyrus -

Papyrus
von Irene Vallejo

Bewertet mit 5 Sternen

Papyrus, der aus Pflanzenfasern hergestellte Stoff, den wir eher mit den alten Ägyptern verbinden, ist nicht nur Titel des Buches, sondern der Anfang der schriftlichen Mobilität, aus denen dann letztendlich unsere Bücher entstanden und mit ihnen viel Freud und Leid die Welt eroberte.

Nichts anderes als "Die Geschichte der Welt in Büchern" ist Vallejos Intention und mit reichhaltiger Liebe zum Detail erschuf sie einen einzigartigen Schmöker für Buch-, Geschichts- und Geschichtenliebhaber. Grob unterteilt in "Griechenland denkt in die Zukunft" mit 87, und "Die Wege Roms"mit nochmal 48 Kapiteln hält sie sich locker an den Zeitstrahl der Geschichte vom ca 5 Jahrhundert vor Christus bis zum Untergang Roms und dem Beginn des Mittelalters. Eine strikte Einhaltung des Zeitablauf darf man aber nicht erwarten, dafür werden Geburt und Tod von Herrschern, Ideen und Orten oft unerwartet, aber immer mit großem Gewinn, von Wissenseinschüben, Denkverbindungen und natürlich Literatur bis in unsere heutige Zeit verglichen und erzählt. Ein, zwei autobiografische Kapitel geben auch Einblick in Vallejos Leben und unterstreichen ihre Leidenschaft für Bücher, die ihrem Werk eine großartige Brillanz verleihen. (Der Diogenes Verlag hat es wohl erkannt und lässt vorauseilend auch das Cover dezent, aber eindrücklich glänzen. Bravo!)

Die Entwicklung des Buches von der Schriftrolle aus Papyrus, über das haltbarere Pergament, bis hin zum handlicheren Kodex ist gespickt mit zahlreichen Wörtern, die sprachwissenschaftlich ihre Ursprünge in der Gechichte haben und mit Orten und Erfindungen verknüpft sind. Die Rolle des Schauspielers ward einst auf ihr geschrieben und haftet nun noch hartnäckig am Bühnenkünstler. Das Pergament wurde in Pergamon erfunden, und naja, Papier.... (siehe Titel).

Vor dem Buch gab es die mündliche Überlieferung und mit dem Redner Betonung und Sinn des Textes. Als man begann, wichtige Dinge schriftlich zu fixieren, war Papyrus wertvoll, der gemeißelte Stein mühsam. Buchstaben vermissten noch die Vokale, längere Texte Absatz und Interpunktion. Aber als all das überwunden war und die Dekadenz Einzug hielt, wars das Feuer, der Schimmel und schließlich Zensur, die den Geschichten unserer Vorfahren den Garaus machten. Vor allem Frauen in fast allen Zeiten, ward der Mund und damit Zeugnis verboten.

Auch der erstaunliche Wandel, vom schriftkundigen und eifrig kopierenden Sklaven, der auch die Texte vorlesen musste, da man dem Text die Vereinnahmung der Seele des Sprechers unterstellte, bis zum Alleinstellungsmerkmal des alphabetisierten Adels, beschäftigte mich. Texte sind Wissen, Ideen und Welten.

Zahlreiche Namen, im Nebel meine Gedächtnisses verschollen, treten, mit neuem Sinn versehen, wieder an die Oberfläche. Aus Halbwissen geborenes Chaos wird sanft geordnet und neu in Schubladen einsortiert, die ich lange nich geöffnet hatte. Die Griechen waren es, die einst die bahnbrechende Idee einer allumfassenden Bibliothek in Alexandria hatten. Die Ägypter bauten sie 2001 neu.

Wenige Texte, manchmal nur Bruchstücke haben überlebt, paradoxerweise in jenen Stätten, die sich in der Überwachung genehmer Lektüre hervortaten. Ironischerweise hat es ein großer Buchvertreiber 2009 auch versucht, ihren Kunden ein elektronisches Buch auf den Rechnern zu löschen. Der Aufschrei war mäßig, der Vorfall bald vergessen. Es bleibt trotzdem der Gedanke, ob sich die Geschichte ständig wiederholen will und wir als Leser einfach die Pflicht haben, wachsam zu bleiben.

Aber was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass dieses Buch ein wahres Füllhorn an Geschichts- und Buchkenntnissen ist, sich aber wirklich niemand davor scheuen sollte. Denn Frau Vallejo erzählt auf sehr unterhaltsame Art und niemand käme dabei auf die Idee, wieder im Klassenzimmer zu sitzen. Sie verführt, bedenkt, teilt und bereichert. Sie erwähnte Bücher, die zu meinen Favoriten zählen, Bücher von denen ich nur gehört habe und natürlich solche, die mir unbekannt sind. Ich bin gewillt ihren Spuren zu folgen, werde aber hoffentlich immer wieder an dieses Buch zurückdenken, das es vortefflich versteht, zu begeistern.

Ich weiß einfach nicht, wie ich dieses Buch angemessen loben soll. Es wird seine Leser finden, da bin ich mir sicher. Bei mir jedenfalls wird es in vorderster Reihe stehen und mich immer daran erinnern, dass es wichtig ist, zu lesen und dass da draußen Menschen existieren, die für dieselbe Leidenschaft brennen.

Kommentare

katzenminze kommentierte am 24. Juni 2022 um 11:05

:D Bei dem Titel dachte ich erst, dass du es nicht mochtest.