Rezension

Privatsphäre oder Überwachungsstaat?

Going Zero -

Going Zero
von Anthony McCarten

Bewertet mit 4 Sternen

In Anthony McCartens neuem Roman arbeitet die Firma Fusion unter Leitung des schwerreichen Social-Media-Moguls Cy Baxter mit der amerikanischen Regierung zusammen, um einen letzten Test der von der Firma entwickelten neuen Software durchzuführen, die dem Schutz des Landes vor terroristischer Bedrohung dienen soll. Der Betatest mit zehn ausgewählten Bewerbern -  fünf Spezialisten, fünf Normalbürgern – soll beweisen, dass mit Hilfe dieser neuen Software jeder zu jeder Zeit an beliebigen Orten aufgespürt werden kann. Auf ein Signal hin sollen die Kandidaten sich unsichtbar machen und für 30 Tage unauffindbar bleiben. Dem Gewinner winken 3 Millionen Dollar. Das ist gar nicht so einfach im Zeitalter von Computern, Smartphones, Kreditkarten, allgegenwärtigen  Überwachungskameras, Techniken der Gesichtserkennung etc. Einige Kandidaten werden schon bald aufgespürt, aber die harmlos wirkende Bibliothekarin Kaitlyn Day aus Boston erweist sich als überaus clever und entwischt den Verfolgern immer wieder. Ihr geht es nicht in erster Linie ums Geld. Sie verfolgt ein anderes Ziel. Bald gerät Cy Baxter zunehmend unter Druck und muss verhindern, dass illegale Geschäftspraktiken seiner Firma ans Licht kommen genauso, wie die CIA bestimmte fragwürdige Vorgehensweisen weiterhin geheimhalten will. 
Die Geschichte dieses gefährlichen und für einen der Protagonisten tödlichen Kräftemessens wird immer raffinierter mit zahlreichen Handlungsumschwüngen. Das ist spannend zu lesen, wenn einen die zugrundeliegende Thematik interessiert: Was ist mir wichtig? Darf der Schutz der Privatsphäre immer weiter zugunsten der (angeblichen) Sicherheit des Landes vernachlässigt werden? Laufen wir Gefahr, in einem Überwachungsstaat zu landen, wenn immer neue Technologien entwickelt und zugelassen werden, um Menschen in aller Welt in jeder Sekunde ihres Lebens auszuspähen? An welchem Punkt dieser Entwicklung sind wir aktuell bereits angekommen? Auf diese Frage liefert der 2014 von der Dokumentarfilmerin Laura Poitras gedrehte Film Citizenfour eine besorgniserregende Antwort. Sie hat zusammen mit zwei Journalisten den US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden interviewt und macht in ihrem Film öffentlich, dass die NSA und andere Geheimdienste mit Hilfe des nach den Anschlägen vom 11.9.2001 geschaffenen Patriot Act umfangreiche Befugnisse bekamen, täglich Millionen von persönlichen Daten zu sammeln und damit praktisch die gesamte Menschheit unter Generalverdacht zu stellen. Die kafkaesk wirkende Realität in McCartens Roman ist also schon längst nicht mehr Teil einer erdachten Zukunft.
Ich habe diesen sehr gut konstruierten Thriller gern gelesen, auch weil es dem Autor gelingt, Spannung ohne Blutvergießen aufzubauen und den Leser vor allem durch die sorgfältig gezeichneten Charaktere und die überraschenden Wendungen der Handlung zu faszinieren.