Rezension

Die Wahrheit findet einen Weg *****

Feldpost -

Feldpost
von Mechtild Borrmann

Bewertet mit 5 Sternen

Anwältin Cara sitzt gemütlich in einem Cafe und schreibt Weihnachtskarten, als sich eine Fremde zu ihr setzt, von einer verschwundenen Adele spricht und kurz darauf selbst wieder verschwindet. Allein ihre schwarze Tasche ist zurückgeblieben, in der Cara alte Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt und einen Kaufvertrag über eine Kasseler Villa mit symbolischem Wert. Einer Intuition folgend, stellt Cara Nachforschungen an und enthüllt längst vergessen geglaubte Geheimnisse.

Überaus interessant und ansprechend gestaltet ist Borrmanns Rahmenhandlung rund um Cara, hinter der sich bewegende und zutiefst berührende Schicksale verbergen. In unbestimmter Abfolge wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt, teils um den Jahreswechsel 2000/2001, teils aus den (Vor)Kriegsjahren ab 1935. Die stehen gelassene Tasche ist Ausgangspunkt für eine ergreifende Erzählung rund um die Familien Kuhn und Martens, welche damals, vor dem Krieg, gut befreundet waren. Wohin die innigen Liebesbriefe und die Notarurkunde führen, was mehr als fünfzig Jahre später als Wahrheit zutage tritt, das beschreibt Mechtild Borrmann mit ruhigen, aber immer wieder unter die Haut gehenden Worten. Recherchen im Tagebucharchiv Emmendingens und schreckliche wahre Begebenheiten bilden eine solide Grundlage für diesen Roman, ein Nachwort dazu, wieviel tatsächlich stimmt, wäre noch schön gewesen. Aber auch so ist die Verknüpfung von Realität und Dichtung überaus glaubwürdig, man mag sich nicht annähernd ausmalen, wie es tatsächlich zugegangen ist.

Die Figuren, die Handlung, alles ist lebensnah und überzeugend geschildert, nur all zu leicht kann man eine Nähe zu den dargestellten Personen verspüren. Schnell ist klar, wie sehr die Politik in den 1930er-Jahren die Menschen beeinflusst und verändert hat, wie rasch Freunde zu Feinden werden und Vertrauen ein äußerst hohes Gut wird. Beklemmend, aber nicht in grausamsten Details wird der Aufstieg der Nationalsozialisten geschildert und die Schrecken in der Heimat und an der Front berühren den Leser auch ohne Einzelheiten mit jeder Zeile. Geschickt gibt die Autorin erst nach und nach preis, wie es den einzelnen Familienmitgliedern ab 1935 wirklich ergangen ist, so manches hätte man zu Beginn des Buches so nicht vermutet.

Mittels eingängigem Schreibstil und Szenen, die weit unter die Oberfläche dringen, vermag Borrmann jeden Außenstehenden zu fesseln und für die wundervolle, wenn auch tieftraurige Geschichte zu begeistern. Frei von Urteilen und Schuldzuweisungen schreibt die Autorin Unfassbares und Bewegendes nieder, die Beteiligten spüren dies ohnehin selbst am schnellsten. Bis zur letzten Seite bleibt diese auf Feldpost beruhende Suche nach der Wahrheit spannend und birgt immer wieder ungeahnte Überraschungen, sodass man nur gebannt und stellenweise mit angehaltenem Atem dem Weg Adeles und der Ihren folgen kann.

Eine außergewöhnliche, tragische Erzählung in perfektem Rahmen – berührend als Mahnmal und Erinnerung festgehalten. Dafür kann es nur fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung geben.

 

Titel Feldpost

Autor Mechtild Borrmann

ISBN 978-3-426-28180-2

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 304 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 2. November 2022

Verlag Droemer