Rezension

Spannender Thriller mit einem moralischen Dilemma, der am Ende etwas überkonstruiert erscheint

Die Herzchirurgin -

Die Herzchirurgin
von Jack Jordan

Bewertet mit 4 Sternen

Dr. Anna Jones ist eine renommierte Herzchirurgin, die sich seit der Trennung von ihrem Ehemann allein um den gemeinsamen achtjährigen Sohn Zack kümmert. Unterstützung erhält sie von ihrer lebensälteren Nachbarin Paula, die alleinstehend ist. Als diese ermordet und Zack entführt wird, wird Anna erpresst. Sie soll den Parlamentarier Ahmed Shabir auf ihrem Operationstisch töten, anderweitig wird ihr Sohn umgebracht. Anna steht vor einem moralischen Dilemma, bei dem mindestens ein Mensch nicht überleben wird.
OP-Schwester Margot Barnes ist hoch verschuldet und bestiehlt seit geraumer Zeit ihre Kollegen, um über die Runden zu kommen. Als der Druck immer größer wird, agiert sie weniger umsichtig und gelangt unter Verdacht. Wenige Augenblicke zuvor hatte sie noch bei einer Herz-OP assistiert und hat noch nicht ganz verarbeitet, was sie dort gesehen hat.

Der Thriller wird aus den Perspektiven von drei Frauen geschildert, die problembehaftet sind und ihre Sorgen bisher mit sich selbst ausmachen. Dr. Anna Jones leidet unter Trichotillomanie und reißt sich in angespannten Situationen ihre Haare aus, um Erleichterung zu spüren. Margot ist in finanzielle Schieflage geraten und wird zu einer abgestumpften Diebin. Detective Inspector Rachel Conaty hat den Verlust ihres Sohnes nicht verwunden und gibt sich die Schuld dafür. Sie ermittelt in dem Fall um die ermordete Paula Williams, interessiert sich aber vielmehr für den Sohn der Nachbarin, der zuletzt mit Paula gesehen wurde und der nun angeblich mit seinem Onkel im Urlaub ist. Sie spürt, dass Dr. Anna Jones etwas zu verbergen hat, kann sie aber nicht mit dem Mord der unbescholtenen Rentnerin in einen schlüssigen Zusammenhang bringen.

"Die Herzchirurgin" schildert ein moralisches Dilemma, für das es keinen richtigen Ausweg zu geben scheint. Es gilt Menschenleben gegeneinander abzuwägen, aber wie soll sich eine Ärztin und Mutter richtig entscheiden können? Hält sie sich an den hippokratischen Eid und schützt das Leben eines ihr fremden Patienten oder versucht sie ihr eigen Fleisch und Blut zu retten?
Die Lösung liegt auf der Hand, aber könnte Anna mit einem Mord ungeschoren davon kommen und würden sich die Entführer an ihren Teil der Abmachung halten?

Das Szenario ist spannend und wird durch die Perspektive von OP-Schwester Margot, die selbst nicht unschuldig ist, unterfüttert. Auch die Sicht der Ermittlerin, die durch das Verschwinden ihres Sohnes eine persönliche Motivation verspürt, den Tod der Babysitterin aufzuklären, gibt der Handlung eine neue Dynamik.
Der Handlungsverlauf entwickelt sich nach der Operation allerdings recht abenteuerlich und ist von Zufällen geprägt, die die Frauen verbinden und Anna und Margot zu unfreiwilligen Partnern in Crime werden lässt.

Die Charaktere sind lebensecht, wenn auch nicht unbedingt sympathisch dargestellt. Die Perspektivwechsel sorgen für Abwechslung, entwickeln den Kriminalfall weiter und vermitteln Einsichten in die komplizierten Privatleben der Frauen.
Auch wenn die Geschichte etwas überkonstruiert ist, ist der Roman bis zur endgültigen Aufklärung der Erpressung und Entführung spannend und kurzweilig geschildert und hält die für einen Thriller nötigen Emotionen hinsichtlich des psychischen Drucks bei der Frage von richtig oder falsch parat.