Rezension

Erwachsen werden

22 Bahnen -

22 Bahnen
von Caroline Wahl

Bewertet mit 4 Sternen

„Das sollte nie eine Liebesgeschichte werden. Das sollte wenn, dann Idas und meine, vor allem Idas Heldinnengeschichte werden, in der sich Ida von Mama befreit. Aber andererseits: Was ist ein Heldenepos ohne Liebe? (Seite 188)

Caroline Wahl (*1995) lässt in ihrem Debütroman mit dem auffällig schön gestalteten Cover Thilda Schmitt erzählen. Von ihrer Arbeit an der Kasse eines Supermarktes, von ihrer alkoholkranken Mutter und der kleinen Schwester, der sie neben ihrem Mathematikstudium die Mutter ersetzt. Zum Ausgleich zu ihrem gut gefüllten Alltag geht sie fast täglich zum Schwimmen. 22 Bahnen sind ihr Standard, bis sie Viktor kennenlernt, der die gleiche Anzahl von Bahnen absolviert.
Thilda steht vor großen Herausforderungen: Ihr Professor rät ihr, sich auf eine Promotionsstelle an der Humboldt-Universität in Berlin zu bewerben. Doch das würde bedeuten, ihre wesentlich kleinere Schwester allein bei der Mutter zu lassen. Bisher hat sie es geschafft, anders als ihre Klassenkameraden, zu Hause zu bleiben. Nun versucht sie, die schüchterne Ida für das Leben allein mit der Mutter fit zu machen.

Dieses Buch zeigt, was Kinder von Alkoholkranken alles auf sich nehmen. Wie sie viel früher als andere Verantwortung übernehmen und erwachsen werden müssen. Das hat die noch junge Autorin ganz gut herausgearbeitet und mit Verlustängsten gewürzt. Allerdings hat sie es (noch?) nicht geschafft, den Figuren tiefes inneres Leben einzuhauchen. Da sie relativ weit an der Oberfläche bleibt, wirken die Charaktere noch etwas farblos.

Fazit: Eine Lektüre, die ich dem Genre „coming-of-age“ zuordne und vor allem jungen LeserInnen empfehle, da sie viel über die Schwierigkeiten erfahren, die das Leben manchmal bereit hält.