Rezension

Mittsommermord

Refugium -

Refugium
von John Ajvide Lindqvist

》Die Körper der Erschossenen lagen wie weggeworfen da, als hätte sie jemand dorthin getragen und dann achtlos fallen gelassen. Das letzte Abendmahl.《 Zitat aus ‚Refugium‘, S. 93

Meine Meinung:

Was John Ajvide Lindqvist leider nicht gelungen ist, das schafft seine Romanheldin Julia Malmros mit Links. Diese erhält die große Chance in die Fußstapfen des bereits verstorbenen Stieg Larsson zu steigen und die weltweit gefeierte ‚Millenium‘-Reihe fortzusetzen. Bei der Recherche zu ihrem neuen Roman, lernt die ehemalige Ermittlerin den Hacker Kim Ribbing kennen. Und wie die Figuren in Julias Thriller schlittern Kim und die Autorin mitten in einen Mordfall und beginnen nach ‚Blomkvist und Salander‘-Manier zu ermitteln.

Parallelen zur Millenium-Reihe sind absolut beabsichtigt und gewollt. Kopiert wird dabei nichts; nur inspiriert. Ich finde die Idee richtig genial und habe jedes Kapitel in vollen Zügen genossen.

Lindqvists Schreibstil ist sehr einnehmend und unkompliziert. Das in Verbindung mit den sehr kurzen Kapiteln von teilweise nur 2-3 Seiten hat mich regelrecht durch den Thriller rauschen lassen. Für mich hat sich das Lesen angefühlt wie einen Film zu schauen. Und tatsächlich hatte ich im Hinterkopf auch die Ganze Zeit über die ‚Wallander‘-TV-Serie.

Aber zurück zu Julia und Kim – ein ungleiches Paar, das vom Schicksal zusammen geführt wird. Während ich Julias Handlungen nicht immer nachvollziehen konnte, manche sogar sehr unpassend und übergriffig fand, habe ich für Kim schnell Symphatien entwickelt. Als Kind von seinem Großvater misshandelt, später von Therapeuten als Versuchskaninchen missbraucht, setzt er sich heute für Opfer von Gewaltverbrechen ein. In diesem Fall ist es die 14-jährige Tochter des ermordeten Unternehmers, die einzige Überlebende des Massakers, die Kim zu schützen versucht. Während Julia ihre Kontakte zur Kripo nutzt – Ex-Mann Johnny ist zufälligerweise der leitende Ermittler – führt Kims Recherche den Hacker nach Shanghai, Kuba und Norwegen.

Die Handlung ist rasant, der Spannungsgrad hoch, die Auflösung nachvollziehbar. Am Ende läuft alles zusammen, der Nebel lichtet sich und man hat diesen ‚Aha‘-Moment, an dem man plötzlich alles versteht, was 300 Seiten vorher so gar nicht ins Bild gepasst hat. Es gibt zwar einige Längen; durch die kurzen und knackigen Kapitel fallen diese aber nicht wirklich auf.

Neben den Mordfällen sind es vorallem die Charaktere, die die Geschichte tragen. Vorallem auf Kims Geschichte – wie diese weiter geht – bin ich sehr gespannt, hat mich dieses Ende doch sehr zerstört zurück gelassen.

》Die meisten Geheimnisse waren wie Rauch, sie hatten die Angewohnheit, überall hindurchzuquellen, aber dabei verbreiteten sie einen Brandgeruch, der nicht verborgen blieb.《 Zitat aus ‚Refugium‘, S. 256

Fazit:

Ein Mord am Midsommar, eine Krimiautorin und ein Hacker, die Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander alle Ehre machen. Eine Ermittlung, die quer über den Globus von Schweden nach China, Kuba und Norwegen führt.

Ich habe die rund 500 Seiten innerhalb von 3 Tagen verschlungen. Der Schreibstil ist mitreißend, die Figuren sind facettenreich und lassen tief blicken und am Ende wird alles schön aufgelöst. Tja, man könnte eigentlich zufrieden sein, wenn da nicht trotz abgeschlossener Mordermittlung ein fieser Cliffhanger wäre. Ich warte auf die Fortsetzung.