Rezension

Herzstillstand

Anatomy -

Anatomy
von Dana Schwartz

Bewertet mit 3.5 Sternen

Jugendliche Variante eines historischen Liebesroman - Mit Leichensektionen statt romantischer Spaziergänge im Park

Nichts wünscht sich Lady Hazel Sinnett mehr, als eine angesehene Chirurgin zu werden. Für eine junge Frau im 19. Jahrhundert ein Ding der Unmöglichkeit. Trotzdem lässt Hazel sich nicht davon abbringen, alles über die menschliche Anatomie zu lernen, was es zu lernen gibt. Egal ob sie dafür in Männerkleidung Vorlesungen besuchen oder illegal ausgegrabene Leichen sezieren muss...

„Anatomy - Eine Liebesgeschichte“ ist ein Jugendbuch mit Gothic Romance-Elementen von Dana Schwartz.

Hazel ist 17 Jahre alt, verhält sich jedoch für ihr Alter angemessen, jung und manchmal etwas naiv. Sie ist eine sehr authentische Protagonistin, auch menschlich gesehen. Intelligent, eigensinnig und bei Rückschlägen mal unfreundlich, ohne einen höheren Sinn als die simple schlechte Laune.

Jack ist, trotz seiner Rolle als Love Interest, ein sehr flacher Charakter. Hinter seinem Verhalten steckt nicht viel mehr, als wir zu Lesen bekommen. Das hat mich etwas enttäuscht.

Abwechselnd werden die Sichtweisen beider Protagonisten beschrieben. Trotz der Erzählperspektive aus der dritten Person, schafft die Autorin Dana Schwartz es, beim Lesen Nähe zum Charakter zu schaffen.

Wie auf dem Cover zu sehen, wird dieses Buch als Liebesgeschichte deklariert. Dem würde ich nicht direkt zustimmen. Klar, es gibt eine Liebesgeschichte, aber darauf liegt nicht der Fokus.
Das Paar kommt sich erst ab der Hälfte so nah, dass Liebe überhaupt zur Möglichkeit werden könnte - und damit meine ich die örtliche Nähe, nicht die Körperliche. Von da an geht es dann sehr plötzlich, ohne nachvollziehbar transportierte Gefühle. Zusätzlich wirkten vereinzelte sexuelle Anspielungen für die Zielgruppe deplatziert. Die Liebesgeschichte konnte mein Herz also leider nicht höher schlagen lassen...

Trotz historischem Setting ist die Sprache und das Verhalten der Charaktere sehr modern, dadurch fällt die Lektüre sehr leicht und man kommt schnell durch die Geschichte.

Der Fantasyanteil bleibt zunächst vage und bringt sich schleichend in die Handlung ein. So war ich mir lange Zeit nicht sicher, ob er überhaupt existent ist. Aber gerade das macht den Charme der Geschichte aus.

Das Buch ist für ein Jugendbuch ziemlich makaber. Wem die Schilderung von Wunden und Leichen in den unterschiedlichsten Verwesungszuständen zu viel des Guten ist, würde ich „Anatomy“ nicht ans Herz legen. Daher bin ich mir unschlüssig, für welches Alter ich es empfehlen würde. Young Adult scheint mir etwas zu jung, während das Alter der Protagonisten und die Darstellung der Liebesgeschichte älteren Lesern als zu kindlich erscheinen kann.

Die Aufmachung des Buches gefällt mir ausgesprochen gut. Es gibt immer wieder schwarze Seiten, auf denen (fiktives) Hintergrundwissen zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen der damaligen Zeit abgebildet sind.

Es gab gegen Ende interessante Wendungen, die jedoch nicht besonders gut in die Geschichte eingebunden waren. Hinweise waren ziemlich offensichtlich platziert, daher konnten mich die erwähnten Plot Twists leider nicht überraschen.

Das Buch kommt zu einem guten, runden Abschluss, der mich allerdings nicht so sehr berühren konnte. Tatsächlich gibt es auf Englisch bereits einen zweiten Band, namens „Immortality“. Dessen Klappentext ist zwar ansprechend - Ich frage mich aber, was den Leser jetzt noch überraschen soll...

Alles in allem handelt es sich bei „Anatomy - Eine Liebesgeschichte“ um ein solides, historisches Jugendbuch mit düsteren, fantastischen Elementen. ♥️