Rezension

Ein bild- und wortgewaltiger Fantasy-Thriller!

Das neunte Haus - Leigh Bardugo

Das neunte Haus
von Leigh Bardugo

Bewertet mit 4 Sternen

Eine zweite Chance – als das empfindet Alex Stern die Möglichkeit, auf das Elite College Yale gehen zu dürfen. Doch sie hat sich die Aufnahme dort nicht durch herausragende Noten oder finanzkräftige Eltern verdient, sondern durch ihre einzigartige Gabe: Sie kann Geister, sogenannte „Graue“, sehen. Damit ist sie ein wertvolles Mitglied für „Lethe“ – das neunte Haus der mächtigen Studentenverbindungen, die durch den Einsatz von magischen Ritualen Vorteile für sich und ihre Alumni erwirken. Haus Lethe und somit auch Alex sind dafür zuständig, diese Rituale zu überwachen und Böses abzuwehren. Als ihr Mentor Daniel Arlington jedoch plötzlich verschwindet, muss Alex allein in Yale die magischen Vorgänge im Auge behalten. Doch dann passiert ein Mord auf dem Campus und Alex bemerkt schnell, dass es sich hier nicht nur um die Beseitigung einer unibekannten Drogendealerin handelt, sondern dass dahinter ein viel tieferreichendes Komplott steckt...

Bereits das Cover ist haptisch ein Erlebnis: Die abgebildete Schlange hebt sich vom Buchdeckel ab und ist unglaublich detailliert gestaltet - nahezu jede Schuppe lässt sich ertasten.

Dies war mein erstes Buch von Leigh Bardugo – aber garantiert nicht das Letzte! Nach anfänglichen Startschwierigkeiten bei der Eingewöhnung in den Erzählstil war ich geradezu fasziniert von der Vielschichtigkeit der Ebenen, sowohl in Bezug auf die Geschichten der Figuren als auch der Erzählchronologie. Dass die Autorin bei dieser Komplexität nicht selbst den Überblick verlor, zeugt von wirklich gutem Plotting und Vorarbeiten. Denn nicht nur die verschiedenen Zeitebenen und Figurenvergangenheiten sind sehr durchdacht und an den richtigen Abschnitten im Buch in Szene gesetzt, nein, auch die Architektur des Campus von Yale ist bis ins kleinste Detail beschrieben, um dem Leser eine möglichst bildliche Darstellung der Szenerie zu geben. Ja, diese häufigen Abschweifungen und das geradezu Sichverlieren im Detailreichtum ist Gewöhnungssache, aber schon nach ca. 150 Seiten ist man absolut gebannt von dieser Erzählung.

Die Protagonistin Alex gewinnt von Kapitel zu Kapitel, von Rückblick zu Rückblick an Schärfe und der trübe Schleier um ihre tragische Vergangenheit und die damit verbundenen Geheimnisse lichtet sich stückweise. Dies macht sie ungemein interessant und gleichzeitig habe ich als Leserin mehr als einmal gestaunt über diese tiefgründige und komplexe Figur.

Aber, und auch das sei angemerkt: Diese Geschichte beinhaltet ungemein brutale, ekelerregende, gruselige und emotional heftige Abschnitte. Es ist schließlich ein Fantasy-Thriller mit magischen Mystery Elementen. Aber eben dieses macht den Roman aus und lässt ihn rund und glaubhaft erscheinen. Das Spannungsniveau ist durchweg hoch, eine Unterbrechung des Lesevorgangs für längere Zeit könnte jedoch dazu führen, dass man den Faden verliert. Der Figurenpool ist recht groß und die Handlungen und Ereignisse sehr komplex. Es ist definitiv keine leichte Lektüre für Zwischendurch, sondern eine Geschichte, die Aufmerksamkeit und Zeit erfordert. Lässt man ihr diese aber zu Teil werden, wird man mit einem wirklich grandiosen Leseerlebnis belohnt!

Einen Stern Abzug erhält das Buch aber, da mir die Auflösung der ganzen Verschwörung dann doch etwas zu unerwartet und zu unvorhersehbar war. Es wurde kein Hinweis innerhalb der Geschichte auf den möglichen Ausgang gelegt, sodass der Leser eventuell eine leise Ahnung haben könnte, wenn er denn aufmerksam gelesen hätte. Das hat mich irgendwie doch ein wenig geärgert. Und es fehlten dann doch zu viele Antworten am Ende. Aber ich hoffe auf eine Fortsetzung, in der dann auch die letzten Fragezeichen noch aufgelöst werden.