Rezension

Das Märchen von der Unterwelt

Das Labyrinth des Fauns
von Cornelia Funke Guillermo Del Toro

Bewertet mit 3 Sternen

 

Verfilmungen von Literaturstoff sind ja gängig und nicht jedes Buch hätte unbedingt auf die Leinwand gebannt werden sollen oder zumindest nicht von dem Regisseur mit dem Cast. Spontan flackert da der stiernackige Brad Pitt vor meinem inneren Auge auf, wie er mit Speer und Pferdewagen vor den Mauern Trojas seine Runden dreht. Diese Verfilmung hätte ich nicht gebraucht. Vor Peter Jackson und seinem Riesenprojekt, den Herrn der Ringe anzugehen, hatte ich Respekt und Angst. Heute gehört diese Trilogie zu meinen Lieblingsliteraturverfilmungen, obwohl es bei Jackson einige Episoden und Figuren aus dem Buch nicht in den Film geschafft haben. Mein eigenes Kopfkino zu Tolkiens Geschichte konnte mit Jacksons Umsetzung nicht mithalten, das hat mich beeindruckt. Und dann gibt es Bücher, die mindestens einmal pro Jahrzehnt neu verfilmt werden. Zum Beispiel Anna Karenina. Ich liebe Tolstois Roman und finde es super spannend, wie unterschiedlich die jeweiligen Verfilmungen angegangen wurden. Merkwürdigerweise vermischt sich hier Buch und Verfilmungen für mich nicht miteinander.

Nun habe ich also zum ersten Mal das Experiment gewagt, ein Buch zum Film zu lesen. Einen Film, der mich damals im Kino nachhaltig beeindruckte und lange Zeit nicht los lies, dessen Grausamkeit schwer auszuhalten ist und der seinem Betrachter die Wahl überlässt, das Ende in ein Happy End oder ein Ende mit Schrecken zu interpretieren. Das Labyrinth des Faun hat mir damals zum ersten Mal aufgezeigt, wie wenig ich über die Geschichte der einzelnen europäischen Länder doch weiß und so den Anstoß gegeben, mich mal in die spanische Historie einzulesen. Der Film selbst deutet vieles nur an und setzt Wissen um den spanischen Bürgerkrieg zur Zeit des Faschismus als bekannt voraus. Das spielt der geheimnisvollen Welt rund um den Faun natürlich in die Hände. Wie würde aber die Umsetzung ins Literarische funktionieren? Würde es ein komplexeres Setting geben, mehr Hintergrundinformationen, mehr Geschichten hinter der Geschichte?

Ja und nein, muss hier wohl die Antwort lauten. Die Grundstory hält sich ziemlich strikt an den Film. Mit Variationen oder Erweiterungen wird nicht experimentiert. Ich lese also den Film, den ich ja schon kenne und sogar mehrfach gesehen habe, und weiß immer genau, was als nächstes passieren wird. Von Buch zu Film geht das für mich gut, von Film zu Buch funktioniert es für mich nicht. Ich tauche einfach nicht in diese Seiten ein, kann mich von meiner Realität und von dem Film nicht loslösen. Das ist äußerst unbefriedigend. Literatur soll mich in unbekannte Welten, Geschichten, Leben entführen und mich meinen eigenen Alltag vergessen lassen. Zuviel Vorwissen ist also schädlich für die Fantasie und das eigene Kopfkino.

Cornelia Funke soll ein großer Fan von Guillermo del Toros Film sein und irgendwie kam diese Zusammenarbeit der beiden zustande, in der für die Autorin wohl klar war, dass sie an der Grundstory nichts ändern würde. Stattdessen hat sie sich überlegt, welche märchenhaften Geschichten die vorgegebene Handlung möglicherweise ergänzen könnten. Das tat sie in bewährter Funke-Manier und schuf zehn kurze Fabeln, die im Buch entsprechend verteilt wurden. Zusammen mit den wunderschönen Illustrationen von Allen Williams befeuern diese kleinen Geschichten tatsächlich meine Fantasie und vergrößern meine Neugier auf die Welt unter der Erde. Aber sie werfen auch neue Fragen auf. Wie soll ich das Ende nun interpretieren? Gibt es ein Leben für Ofelia nach ihrem Tod? Ist sie wirklich die lang gesuchte Prinzessin oder alles nur ein Euphemismus für den Tod? Funkes Märchen sind eine nette Zugabe zur Geschichte, erhellen die Story aber im Kern nicht weiter.

Ich kann keine Aussage dazu treffen, wie das Buch auf Leser wirkt, die den Film nicht kennen. Für mich war es ein spannendes Experiment mit dem Fazit, dass ich zukünftig doch lieber erst das Buch lese und dann vielleicht auch mal in die Verfilmung hinein blinzle.