Rezension

Ich hätte nicht überlebt

Die Auslese - Joelle Charbonneau

Die Auslese
von Joelle Charbonneau

Bewertet mit 5 Sternen

Die sechzehnjährige Melencia "Cia" Vale ist stolz darauf, mit ihrem Schullabschluss endlich in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen zu werden. Sie hofft von ganzem Herzen, für die Auslese ausgewählt zu werden, denn die Universität ist ihr großes Ziel. Sie will lernen und helfen, die zerstörte Erde wieder nutzbar zu machen und den Menschen mit ihrem Wissen ein besseres Leben zu ermöglichen. Denn der Krieg zerstörte nicht nur Städte und löschte Millionen Menschenleben aus, auch die Erde ist verseucht, sodass ein Überleben nur schwer möglich ist. Was einst als Vereinigte Staaten von Amerika bekannt war, ist nun das Vereinigte Commonwealth. Cia lebt mit ihrer Familie in der vor 25 Jahren gegründeten Five-Lakes-Kolonie, einer der kleinsten Kolonien, sodass die Abschlussklasse ihrer Schule auch nur aus 14 Schülern besteht. Sie ist die jüngste von allen und dennoch hofft sie, dass ihre Leistungen ausgereicht haben, um für die Auslese ausgesucht zu werden, denn es ist bereits zehn Jahre her, dass der letzte Absolvent aus dieser Kolonie für die Auslese ausgesucht wurde.

Cias Mutter ist nicht wirklich begeistert von den Plänen ihrer Tochter und hofft, dass sie in der Kolonie bleibt und sich hier einer Arbeit annimmt, zu tun gibt es genug. Auch Cias Vater, der selbst Absolvent der Universität war, steht zwar hinter seiner Tochter, scheint aber auch nicht wirklich erpicht darauf zu sein, sein Kind in die Auslese ziehen zu lassen. Doch dann geschieht das, worauf Cia so sehr gehofft hat, sie wird ausgewählt an der Auslese teilzunehmen, zusammen mit ihren Mitschülern Malachi Rourke, Zandri Hicks und Tomas Endress. Das gleich vier Absolventen ausgewählt werden, damit hat in der Kolonie niemand gerechnet, doch die Freude ist groß, auch wenn der Aufbruch überstürzt erfolgen muss, da die Auslese in wenigen Tagen beginnt. Cia ist unendlich erleichtert, es geschafft zu haben und den Sinn ihres Lebens bestätigt zu sehen, doch irgendwie scheint sie die einzige zu sein, die sich über ihren Erfolg freut. Ihrer Familie bleibt jedoch auch nichts anderes übrig, als sie ziehen zu lassen, alles andere würde als Hochverrat gelten und mit dem Tode bestraft werden. Cias Vater, der selbst die Auslese überstanden hat, warnt sie dringend davor, niemanden, wirklich niemandem zu trauen. Sie ist zwar verwirrt, weil doch alle nur das Beste für das Land wollen und somit Verrat ausgeschlossen scheint, nimmt sich den Rat ihres Vaters aber zu Herzen.

Zusammen mit den anderen und einem Offiziellen macht sich Cia auf den Weg nach Tosu-Stadt, verbunden mit dem Wissen, dass sie ihre Familien wohl nie wieder sehen werden, denn wo nach der Universität sie eingesetzt werden, entscheidet die Regierung. Doch schon auf der Reise in die Hauptstadt beginnen die Prüfungen für die Jugendlichen. Cia ist überzeugt, dass sich alles zum Guten wenden wird und während der Auslese lernt sie neben ihren Gefährten noch junge Menschen aus anderen Kolonien kennen, mit denen sie sich teilweise anfreundet. Am nächsten steht ihr aber Tomas, mit dem sie aufgewachsen ist und mit dem sie zufällig sogar in einer Prüfungsgruppe ist. Die Beiden sind ein Team und wollen bis zum Ende gemeinsam ihren Weg gehen. Als sich dann Cias Zimmergenossin Ryme Raynolds das Leben nimmt, beginnt Cia zu erahnen, dass dies nicht der einzige Todesfall während der Auslese bleiben wird und ihre Vermutung scheint sich zu bestätigten, immer weniger Studenten tauchen zu den gemeinsamen Mahlzeiten wieder auf. Und dies ist erst der Anfang ...

Was für ein Auftakt!!! Die Lektüre dieses Buches ist jedem empfohlen, der spannende Literatur nicht widerstehen kann - jedoch sollte vor Beginn des Buches für Nahrung und Trinken gesorgt sein, ebenso sollte die Türklingel und das Handy ausgeschaltet und der Telefonstecker aus der Dose gezogen werden - denn Unterbrechungen der Lektüre sind eigentlich unmöglich. Der Plot wurde sehr detailliert und bildgewaltig erarbeitet, ich konnte die verseuchte Erde förmlich selbst zwischen den Fingern spüren und auch die widrigen Lebensumstände fühlen, unter denen die Bewohner teilweise zu leiden haben. Die Figuren wurden allesamt ausgebrochen tiefgründig und facettenreich in Szene gesetzt, eine jede Figur, sei es Haupt- oder Nebenfigur, hat einen sehr hohen Widererkennungswert und dennoch seid gewarnt: Schaut hinter die Fassade, nicht immer ist alles so, wie es scheint. Den Schreibstil empfand ich als ausgesprochen fesselnd, sodass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte, ich musste einfach wissen, wie es weiter geht und das, wo ich mit dem Wissen leben muss, dass der 2. Band der Reihe im Englischen "Independent Study" erst im Januar 2014 erscheinen wird. Hoffentlich lässt anschließend die Deutsche Übersetzung nicht allzu lange auf sich warten. Noch ein Wort zum Schluss: Wenn ich es überhaupt in die Auslese geschafft hätte, muss ich an dieser Stelle leider zugeben: Ich hätte sie nicht überstanden - und ihr?