Rezension

Wird dem Hype nicht gerecht

Die Auslese - Joelle Charbonneau

Die Auslese
von Joelle Charbonneau

Bewertet mit 3 Sternen

Plötzlich fällt mir ein, dass alles Mögliche dort draußen vor der Tür warten könnte. Ich schiebe Zeens Kommunikator in das Seitenfach meiner Tasche, greife ein letztes Mal hinein und hänge sie mir dann über die Schulter. Als die Uhr auf null umspringt, stehe ich auf und halte die kleine, schwarze Pistole in der Hand.
Eine Seite der Metallkiste schwingt auf, und eine aufgezeichnete blecherne Stimme teilt mir mit: "Runde vier der Auslese hat nun begonnen."

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KLAPPENTEXT:
Nach den verheerenden Fehlern der Vergangenheit war sich die Gesellschaft einig, dass nur noch die Besten politische Macht ausüben dürfen. Von nun an sollten die Psychologen darüber urteilen, in wessen Händen die Zukunft des Landes liegen sollte. So entstand die Auslese. 
Cia ist sechzehn und damit eine der Jüngsten, die zu den Prüfungen antreten, die darüber entscheiden, ob man für ein Amt geeignet ist. Zunächst ist sie von Stolz erfüllt – bis die erste Kandidatin stirbt. Jetzt breitet sich Angst aus, und Cia erkennt: Nur die Besten überlebe …

MEINE MEINUNG:

SCHREIBSTIL
Dem Genre Jugendbuch angepasst, ist Joelle Charbonneaus Stil flüssig und einfach zu lesen, ohne umständliche, aber auch ohne wirklich begeisternd bildliche Beschreibungen und hauptsächlich von kürzeren Sätzen geprägt. Erzählt wird die Geschichte im Präteritum aus der Ich-Perspektive von Cia, was zum Verständnis des gesamten Systems und der einzelnen Tests enorm beiträgt. Ansonsten ist die Schreibweise nicht wirklich außergewöhnlich oder gar atemberaubend, dafür jedoch so locker gehalten, dass die Seiten, auch durch die vielen Absätze, nur so dahinfliegen.

CHARAKTERE
Die Protagonistin Cia ist durchaus ein sympathisches Mädchen, das man mit einigem Interesse auf seinem Weg begleitet - stark, mutig und schlau gelingt es ihr immer wieder, sich aus den gefährlichsten Situationen zu manövrieren. Genau das ist aber auch ihr Problem, denn sie ist so perfekt, dass es absolut langweilig ist. Ein einziges Mal begeht sie einen Fehler, ansonsten kann sie Fallen anscheinend 100 Meter gegen den Wind riechen, und sie durchschaut jeden noch so durchdachten Plan. Das ist nach einiger Zeit dann leider nur noch geringfügig glaubwürdig. Ihr Love Interest Tomas bleibt dann extrem blass, sodass es ihm nicht vergönnt ist, Cias Langweiligkeit aufzuwiegen. Stattdessen dackelt er ihr die meiste Zeit eher treu hinterher. Nur gegen Ende überrascht er tatsächlich mit einigen Zügen. Die restlichen Figuren sind überwiegend entweder verschlagen oder freundlich, alles bleibt mehr oder weniger Schwarz-Weiß, und auch die Entwicklungen einiger von ihnen sind so stark vorauszusehen, dass kein Charakter wirklich überzeugen kann.

STORY
An sich ist die Geschichte ansonsten total interessant - wenn auch mit den üblichen dystopischen Klischees behaftet. Das Problem ist eben einfach, dass sich der Roman stark an den Rennern des Genres orientiert, und das sage ich als eine, die Vergleiche zwischen unterschiedlichen Werken grundsätzlich verabscheut. Hier jedoch ist die Ähnlichkeit mit "Die Tribute von Panem" einfach nicht zu übersehen: Die Kandidaten bekämpfen sich gegenseitig, ja, werden sogar dazu angehalten; am Anfang der 4. Prüfung steigt Cia aus einer Box; sie kriegt Pakete mit wichtigen Dingen geschenkt; und Mutanten gibt es auch noch...Wer da nicht stutzig wird, muss meiner Meinung nach ein Brett vor dem Kopf haben. Charbonneau bringt aber auch eigene Idee ein, so ist es nicht. Insbesondere die Aspekte um die Arbeit von Cias Vater sowie die Prozesse zur Klärung des kontaminierten Wassers fand ich überaus interessant. Ansonsten aber schwächelt das Ganze leider oftmals in den Details.

UMSETZUNG
Nichtsdestotrotz ist das Buch unheimlich fesselnd und einen gewissen Unterhaltungsfaktor will ich ihm trotz des öfter eher düsteren Themas absolut nicht absprechen. Die Romantik fand ich zwar eher unnötig, voraussehbar und langweilig, ansonsten jedoch gibt es immer wieder kleinere Überraschungen im Verlauf, die mich durchaus begeistern konnten. Nur im Showdown circa 30 Seiten kam bei mir dann wieder die Frage auf, ob die Lektoren des Romans eigentlich überhaupt darüber nachgedacht haben. [VORSICHT, KLEINER SPOILER!] Schließlich sind Cia und Tomas lange Zeit mit einem Kandidaten unterwegs - aber erst direkt vor dem Ende setzt dieser seinen Plan in die Tat um, sie zu töten, während er dies schon längst hätte machen können, während sie schliefen? Interessante Logik...[SPOILER ENDE!] Kurz danach endet das Werk dann mit einigen offenen Fragen und einem eher seltsamen letzten Satz, insgesamt aber einem definitiv Interesse weckenden Schluss, der über einiges hinwegtröstet - jedoch nicht über alles.

FAZIT:
"Die Auslese" hat keine besonders originelle Grundgeschichte und bleibt einem leider besonders durch die vielen Parallelen zu "Die Tribute von Panem" im Gedächtnis. Protagonistin Cia ist so perfekt, dass sie mich richtig anödete, dennoch kann ich nicht sagen, dass das Buch nicht spannend ist - denn es fesselt die gesamte Zeit über sehr, hat nur eben definitiv seine Schwächen. Ich gebe knappe 3 Punkte und bin mal gespannt, ob sich die Joelle Charbonneau in Band 2 wohl steigern kann...