Rezension

Eine wirklich fesselnde Dystopie

Die Auslese - Joelle Charbonneau

Die Auslese
von Joelle Charbonneau

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich trotz des Hypes um das Genre Dystopie, post-apokalypitische Literatur nicht unbedingt favorisiere. Dies mag daran liegen, dass mich bisher keines der aktuellen Jugendversionen wirklich mitgerissen hat: Ein junger Mensch, meist weiblich, muss sich gegen andere junge Menschen auf Gedeih und Verderb durchsetzten, um zu versuchen die Welt zu retten und findet dabei wie durch Zauberhand die Liebe seins Lebens. Klingt wie schon fünfmal gelesen und trifft auch auf dieses Buch zu. Aber dieses Buch hat es geschafft mich wirklich zu fesseln!
Das Buch wird von der Hauptperson Malencia, genannt Cia, dem Leser komplett erzählt. Die Ich-Perspektive, kombiniert mit Präsens als Erzählzeit, wirkt in diesem Buch erstaunlich gut: Cia nimmt den Leser mit durch ihren Kampf in der Auslese, so dass er alles haargenau miterlebt, jedes Hoffen, jedes Bangen und auch die sich entwicklende Beziehung zu einem anderen Kandiaten aus ihrer Kolonie, Tomas. Dies macht die Auslese zu einem wahren Leserlebnis. Zwar hat dies nicht sehr lang gedauert, da das Buch durch die Erzählweise eine gewisse Sogwirkung hatte und sich die knapp 400 Seiten praktisch von allein lasen – doch so wünscht man sich gute Lektüre! Auch der Aufbau des Plots hat mir sehr gut gefallen: Zwar war eigentlich von Beginn an klar, dass Cia in die Auslese gelangt, sonst würde es dieses Buch und die Trilogie nicht geben, aber dennoch fand ich es sehr gelungen, dass die Geschichte mit dem letzten Tag von Cias altem Leben begann und ich so die Möglichkeit hatte, sowohl Cia kennenzulernen als auch einen Eindruck von der Lebensweise nach den verheerenden atomaren und biologischen Kriegen zu bekommen. Schließlich konnte ich ihren Weg durch die Auslese verfolgen, der sich wirklich spannend und mitreißend gestaltet und gelungen die Schattenseite der menschlichen Rasse zu Tage führt. Schade finde, ich wie die Offiziellen mit diesen rücksichtslosen Teilnehmern umgehen. Hier hätte ich mir eine bessere Lösung gewünscht, schleißlich dachte ich, die Auslese würde einem ganz bestimmten Zweg dienen. Aber ich schätze mal, dass die Auswahl, die getroffen wurde, und die menschlichen Abgründe an sich in den folgenden Büchern mit Sicherheit zentrale Themen sein werden und das wiederum gefällt mir sehr gut. Auch Cias Umgang mit diesen Dingen, ihre spontanen Reaktionen, ihre Intelligenz und ihr völlig konträres Verhalten zu dem Großteil der Gruppe hat mir nicht nur gut gefallen, sondern hat mich auch etwas beeindruckt. So ist Cia definitiv zu einem Charakter geworden, der nicht nur die Sympathien der Leserschaft gewinnt, sondern sie auch mit ihr mitfiebern lässt. Ich für meinen Teil möchte jedenfalls unbedingt wissen, wie es mit ihr weitergeht!
Dennoch hat mir eine Kleinigkeit in diesem Buch gefehlt, doch dies ist meine ganz persönliche Meinung: Ich habe dem Buch angemerkt, dass es für ein junges Publikum geschrieben ist und das nicht nur daran, dass die Protagonisten selbst alle noch nicht die 20 erreicht haben, sondern daran, dass der Schreibstil zwar nicht oberflächlich ist, er aber dennoch mehr Ausführlichkeit hätte vertragen können. Für ein Jugendbuch jedoch ist dies genau richtig, mir persönlich fehlt dadurch jedoch noch das kleine Bisschen zur vollen Punktzahl.

Fazit: Klingt die Inhaltszusammenfassung von Die Auslese noch wie schon fünfmal gelesen, hat mich der Schreib- und Erzählstil der Autorin jedoch überzeugt. Sie erfindet zwar nichts neu, schafft es aber Spannung aufzubauen, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen mochte, bis ich wusste, ob Cia die Auslese überstanden hat – und dabei bin ich eigentlich gar kein wirklicher Freund von Jugendbuch-Dystopien. Doch diese hier ist dank der überauß sympathischen Hauptperson Cia und des Erzählstils wirklich gut! Ich möchte unbedingt wissen, wie es mit Cia und dem Rest weitergeht!