Rezension

Plot nahm unerwartete Wendung

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von Marc-Uwe Kling

Bewertet mit 3 Sternen

In Zeiten von Socia lMedia dreht sich alles nur noch um Views. Tabus interessieren hierbei schon lange nicht mehr, generieren sie hiermit doch die meisten Klicks.
Marc-Uwe Kling inszeniert mit seinem Fall der Lena Palmer den sprichwörtlichen Tropfen, der gesellschaftlich das Fass zum Überlaufen bringt und erschreckend nah an der Realität ist.
Ein erschütterndes Video geht viral. Ein junges Mädchens  wird Opfer eines sexuellen Übergriffes durch Immigranten. BKA-Kommissarin Yasira Saad und ihr Team tappen im Dunkeln und jede heiße Spur verläuft im Sand. Der Fall gewinnt immer mehr an politischer Brisanz und drückt die ohnehin schon angespannte Stimmung immer mehr ins rechte Lager. Es ist nur eine Frage der Zeit bis es zur Eskalation kommt.
Das Buch selbst beschreibt sich anfangs schon recht gut. „Immer wieder faszinierend, wie man vom totalen Horror zu absoluten Banalitäten kommen kann.“ Ernste Fakten werden immer wieder durch alltägliche Gedanken und Gespräche  aufgelockert. Auch wenn man daran nichts beschönigen sollte, wurde dadurch doch etwas die Schwere herausgenommen. Dadurch wirkten die handelnden Personen auf mich allesamt authentisch und ihr Handeln nachvollziehbar. Der Fall an sich setzt Yasira schon stark unter Druck. Nebenbei schlägt sie sich noch mit Alltagsrassismus und einem Pubertier herum. Der unterschwellige Humor ihrerseits gefiel mir sehr gut.
Der Schreibstil an sich ist recht locker und flüssig, sodass ich trotz der thematisierten Themen sehr schnell vorrankam.
Mit dem Verlauf der Handlung bin ich leider nicht wirklich warm geworden. Die Geschichte nahm eine Wendung, auf die ich einfach nicht vorbereitet war. Der Fall rund um Lena Palmer geriet immer mehr in den Hintergrund, zugunsten von brisanteren Themen, die mir, in ihrer „unfassbaren Gleichzeitigkeit von allem“, zu gewollt und überladen vorkamen.
Während des Lesens hatte ich immer wieder das Gefühl eine Tatortfolge vor mir zu haben. Dies soll keineswegs negativ klingen, da ich mich schon gut unterhalten gefühlt habe.  Irgendwie erinnerte mich einfach alles an dieses ARD Urgestein. Der Fall, die Sprache und sogar die Kommissarin wiesen für mich viele Parallelen auf.
Mit dem offenen Ende konnte ich mich diesmal auch nicht wirklich anfreunden. Für mich blieb irgendwie alles, was mit Lena Palmer zu tun hatte auf der Strecke. Es kam mir vor als würde ich ein TikTok Video schauen, bei dem ich vergeblich auf Part 2 warte.
Die Covergestaltung im Stile eines Social Media Videos inklusive Triggerwarnung empfinde ich als äußert gelungen.
Views war für mich kurzweiliger Roman, bei dem ich mir inhaltsmäßig etwas anderes erhofft habe.
Dennoch war es für zwischendurch ganz gut mit einem kritischen auf die Gesellschaft und Social Media.