Rezension

Lesenswert dank sehr sensiblem Umgang mit einem wichtigen, aber schwierigen Thema

Die Tage, die ich dir verspreche - Lily Oliver

Die Tage, die ich dir verspreche
von Lily Oliver

Bewertet mit 5 Sternen

Gwen sollte nach ihrer Herztransplantation glücklich und dankbar sein. Alle scheinen das von ihr zu erwarten, denn sie ist eine der wenigen, die ein solches Geschenk bekommen hat. Doch in Gwen sind nur Angst, Schuld und Sorge, sodass sie beschließt ihr Herz über ein Forum zu verschenken. Noah nimmt das Angebot zum Schein an und dann steht der vermeintliche Troll/Fake Gwen vor seiner Haustür. Eine Gefühlsachterbahn nimmt Fahrt auf… 

Die Hauptthemen sind dem Leser schon nach einem Blick in die Leseprobe oder den Klappentext bekannt, doch es werden nicht „nur“ die Probleme, die mit einer schwerwiegenden Herzerkrankung, samt Transplantation, Reha etc. zusammenhängen beschrieben. Auch die Themen Depression und Hilflosigkeit, Unsicherheit, Schuld und Zukunftsangst werden gekonnt mitten in eine rührende Liebesgeschichte gepackt. Das Buch ist nicht nur aufgrund seines sensiblen Umgangs mit dem schwierigen Thema zu empfehlen, sondern auch aufgrund seiner hohen Emotionalität, die sich im Laufe der Geschichte mehr oder weniger zu ergeben scheint. Nichts wirkt gezwungen, auch wenn die Protagonisten nicht immer leichtes Spiel haben und das eine oder andere mal zurecht gebogen werden muss. Es zeigt auch, dass gut gemeint, nicht immer gut gemacht ist. Besonders nachdenklich stimmte es mich als gesunde Leserin, dass eben mit der Transplantation nicht alles gut ist, manches psychisch sogar viel schlimmer werden kann. Dafür hat man im Alltag einfach nicht so den Blick und erwartet, dass der Empfänger nach einer gewissen Zeit sehr glücklich und dankbar sein muss – nein muss er nicht, wie diese fiktive Geschichte eindrucksvoll zeigt. 

Der Schreibstil ist durchweg flüssig und einfühlsam, aber nicht auf Dauer gefühlsduselig und schon gar nicht düster, wenn es auch die Gedanken der Protagonistin häufig sind. Die widerstreitenden Gefühle, die Achterbahn der Emotionen sind so „echt“ dargestellt, dass man sich gut in die Protagonisten einfühlen kann. Durch die wechselnden Perspektiven (es erzählen Gwen und Noah im Wechsel) kann man die gesamte Geschichte erfassen, die Gedankenwelt der beiden sympathischen Protagonistin erleben und umfassend verstehen. Selbst das Nachwort ist einfach nur toll, daher Danke an Lily Oliver für das nachdenklich stimmende Buch, für Gänsehaut und etliches Tränenverschlucken (an einer Stelle ist es mir tatsächlich nicht ganz gelungen…). Ich hoffe, dass viele Leser sich mit dem Thema auch auseinandersetzen werden. 
Meinen Organspendeausweis habe ich schon seit meinem 18. Lebensjahr im Geldbeutel und meine Familie weiß, was ich wollen würde, wenn mir was passieren sollte. Wäre es nicht so, würde ich mich spätestens nach der Lektüre mit dem Themengebiet auseinandersetzen. 
Eine lesenswerte Geschichte, die nachdenklich, aber letztlich auch glücklich macht.