Rezension

Spannendes Debüt mit Raum nach oben

Gelöscht - Teri Terry

Gelöscht
von Teri Terry

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Slating. Die Chance für straffällig gewordene Jugendliche bis sechzehn Jahre auf ein neues Leben. Auch die sechzehnjährige Kyla wurde geslated: ihre Erinnerungen, ihre Persönlichkeit, ihr altes Leben und ihr Ich wurden unwiderruflich gelöscht. Ebenso wurde ihr Hormonhaushalt durch die Operation künstlich verändert: sie ist glücklicher als nicht geslatete Menschen und nicht provozierbar oder sollte es zumindest sein, denn: Kyla ist anders.

Sie hat immer wieder Alpträume und scheint sich an Bruchstücke aus ihrem früheren Leben zu erinnern. Doch das Slating stellt ihre letzte Chance dar und so versucht sie sich in die Gesellschaft und ihre neue Familie, die sie nach der Operation zugeteilt bekommen hat, einzufügen. Trotzdem hinterfragt sie das Slating. Aus welchem Grund wurde ihr Gedächtnis gelöscht? War sie wirklich eine Verbrecherin? Als dann noch ein Bild von ihr als Kind auf einer Homepage mit vermissten Kindern auftaucht, hat sie nur noch mehr Fragen.

Sie möchte einerseits dem Geheimnis ihrer wahren Identität auf die Spur gehen, andererseits versucht sie aber auch sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, damit sie nicht auch, wie so viele andere Menschen, von den Lordern mitgenommen wird.

Gestaltung:

Das Cover gefällt mir, trotz dem für Jugendbücher typischem Mädchengesicht, gut. Ich finde es toll, dass das Originalcover übernommen wurde. Und auch die prägnante Frage am oberen Rand des Covers ist super gewählt. Sie spiegelt meiner Meinung nach den Inhalt und vor allem Kylas inneren Konflikt gut wieder. Mir gefällt auch, dass der Titel auf weißem Hintergrund in der Mitte des Covers steht und dies mit Spotlack hervorgehoben wird. Es sieht so aus, als wäre Papier weggerissen worden, was, wie ich finde, die Geschichte passend darstellt. Wenn man ein mit Papier verpacktes Päckchen öffnet, kommt auch nur Stück für Stück das zum Vorschein, was darunter liegt. Genau wie bei Kyla und ihrer Vergangenheit. Diese wird auch nur schrittweise aufgedeckt.

Meine Meinung:

„Gelöscht“ hat mir gut gefallen, obwohl die von mir erwartete Action erst ungefähr gen Ende des Buches einsetzte. Zunächst erfährt man als Leser alles über Kyla, ihr neues Leben und ihre Anpassungsversuche. Man durchlebt mit ihr ihr Anderssein und ihre Träume, von denen Kyla (und somit auch der Leser) sich nie sicher sein können, ob sie wirklich nur Träume sind oder vielleicht doch Erinnerungsstücke. Dieses Rätsel um ihre Erinnerungen (bzw. Träume) wird konsequent über den Verlauf des Buches aufrecht erhalten. Nie kann sich der Leser sicher sein, ob Kyla eine Erinnerung durchlebt oder doch nur träumt. Das liegt daran, dass es immer einen Auslöser gibt, nach dem Kyla dann einen Traum hat. Auslöser und Traum sind dabei so gut verwoben, dass man immer leichte Zweifel hegt, ob Kyla sich nun wirklich erinnert oder alles erträumt. Das hat mir persönlich besonders gut gefallen, da man gebannt an den Seiten hängt und hofft, Klarheit über das Rätsel ihrer Erinnerungen zu erhalten.

Der Schreibstil von Teri Terry ist schnell und flüssig zu lesen, so dass man das Buch schnell verschlingt. Auch die kurzen Kapitel empfand ich als sehr gut, da man so immer z.B. zwischen Pausen weiter lesen kann.

Die Charakterdarstellung ist meiner Meinung nach besonders spannend und gut gelungen. Charaktere, die einem zu Beginn sympathisch waren, erscheinen im weiteren Verlauf des Buches in einem ganz anderen Licht. Ebenso sind Figuren, die man zu Beginn nicht mochte, einem am Ende sympathisch. Bestes Beispiel hierfür sind Kylas Mutter und Vater. Erschien der Vater zu Beginn nett und lieb und die Mutter streng, wurden die Rollen im Laufe des Buches komplett getauscht. Aber es gab auch Charaktere, die bis zum Ende undurchschaubar blieben, wie Dr. Lysander oder Mr. Hatten. Solche Figuren sind es, die mich voller Spannung sehnsüchtig auf den nächsten Band warten lassen.

Jedoch vergebe ich nicht volle 5 Sterne, da mir die Darstellung der Welt bzw. der Zukunftsentwurf etwas zu flach war. Es gab einfach zu wenige Informationen über die Geschehnisse, die zum Zustand der Gesellschaft (wie Kyla sie kennt) geführt haben. Ich finde es auch etwas unrealistisch, dass (nachdem England sich von der EU distanziert) nur Teenager protestieren. Und warum sollten dann nur Jugendliche straffällig werden? Was ist mit den Erwachsenen? Haben die schweigend zugesehen? Ich fand es etwas störend, dass (als man endlich etwas über den Weltentwurf erfuhr) nur von Jugendlichen und Studenten die Rede war.

Zudem muss ich sagen, dass so ca. in der Mitte des Buches, die Handlung etwas abflaute. Zu Beginn hat man förmlich an den Seiten geklebt und mit Kyla die Welt entdeckt, aber ab der Hälfte wiederholen sich immer wieder bestimmte Geschehnisse (ich sage nur: Kater oder Laufen) und Kylas Alltag wird einfach zu lang gezogen, sodass nicht mehr allzu viel passiert und man sich ein wenig langweilt. Erst gegen Ende kommt wieder Schwung in die Geschichte und findet zur Spannung des Anfangs zurück.

Fazit:

Ein gelungenes Buch, das sich super gut für „zwischendurch“ eignet. Es bewegt den Leser zum mit rätseln, mitfiebern und regt ihn zum Nachdenken an. Sind die Menschen, die Kyla trifft, diejenigen, die sie vorgeben zu sein? Man kann sich bis zur letzten Seite nicht sicher sein, ob der Schein trügt. Und genau deswegen hängt man so gebannt an Kylas Geschichte. Dennoch gibt es noch Spielraum nach oben und offene Fragen, so dass ich gespannt bin auf die kommenden Enthüllungen im 2. Band „Zersplittert“.

4 von 5 Sternen!