Rezension

Extrem spannend und mitreißend...

Der Morgen
von Marc Raabe

Bewertet mit 5 Sternen

Meinung:

Die Tom Babylon-Reihe des Autors mochte ich ganz gerne, aber ich muss zugeben, dass mich dieses krasse Pink vom Cover fast davon abgehalten hätte, es mit der neuen Reihe zu versuchen. Und ich muss wirklich sagen, da hätte ich was verpasst.

„Der Morgen“ ist ein Start in eine neue Ermittlerreihe mit zwei neuen, kantigen Protagonisten. Artur Mayer ist ein Polizist, der seine eigenen Regeln befolgt und oft mit seiner geradlinigen und ruppigen Art aneckt. Aber er hat eine tolle Aufklärungsquote und setzt sich vor allem für die Schwachen ein. Er ist ein Charakter mit Schwächen und Ambivalenzen und genau deshalb so genial erarbeitet.

Seine neue Partnerin, Polizeianwärterin Nele Tschaikowski, hat als Frau schon mal keinen leichten Stand, aber sie ist auch die Nichte des Polizeipräsidenten, weshalb sie sich nochmal besonders beweisen will. Trotz aller Eigenheit von Art kommt sie gut mit ihm zurecht und die beiden sind ein tolles Team, auch wenn ich ihre Hinweise auf Political Correctness manchmal etwas viel fand.

Der Plot ist zwar von Beginn an spannend, steigert sich aber mit der Zeit immer mehr. Anfangs ist es eher ein Stochern im Dunklen und es gibt ziemlich viele Rückblenden in die Vergangenheit, die ich mit der Zeit fast etwas zu dominant fand. Aber diese haben viel Bedeutung und spätestens im 2. Drittel beginnt alles einen Sinn zu ergeben.

Im letzten Drittel kommen dann nochmal extrem viele unerwartete und schockierende Wendungen hinzu und ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Ich musste wissen, wie es weitergeht und war auch emotional voll dabei. Dazu hat auch der geniale Schreibstil beigetragen. Es war alles super mitreißend und lebendig beschrieben und auch die kleinen, gemeinen Mini-Cliffhanger zu den jeweiligen Kapitelenden wurden super gesetzt.

Eine wirkliche Stärke der Geschichte fand ich zusätzlich die Fähigkeit des Autors auf Ambivalenzen hinzuweisen und deren Dilemma darzustellen. Nämlich, dass eine Geschichte nie ganz weiß oder schwarz ist, sondern es viele Grautöne dazwischen und oftmals keine 100 Prozent richtigen Lösungen gibt. Das hat mich sehr zum Nachdenken angeregt und es gab einige fragwürdige Entscheidungen der Figuren, die ich doch auch irgendwie nachvollziehen konnte, auch wenn sie moralisch wirklich nicht richtig sind.

Das Ende ist ziemlich rund, einzig ein paar Nebenstränge hätte man noch genauer auflösen können. Aber es hat wirklich gepasst und ich bin schon sehr auf ein Wiedersehen mit dem Ermitterduo gespannt.

Fazit:

Ein richtig guter Start in eine neue Ermittlerreihe. Von Beginn an interessant, wird der Spannungsbogen mit der Zeit immer mehr gespannt und es gibt viele unerwartete und komplexe Wendungen. Dabei wird man auch emotional mitgezogen und auch durch die vielen gekonnt dargestellten Ambivalenzen und Kontroversen zum Nachdenken gebracht. Ich bin wirklich auf ein Wiedersehen mit den interessanten und mit Ecken und Kanten versehenen Protagonisten gespannt.