Rezension

Ein grandioser Thriller-Auftakt

Der Morgen
von Marc Raabe

Autor / Schreibstil

Wer Marc Raabe kennt, der wird wissen, wie gut dieser Autor schreibt. Er ist ein wahrer Künstler in seinem Bereich. Bislang habe ich jedes Buch von ihm gelesen, mal direkt, mal erst einige Wochen im Nachgang. Doch jedes Werk von ihm hat eine Gemeinsamkeit: Sein unbeschreiblicher, flüssiger Schreibstil, der mich in eine Welt entführt, die so real und doch so fern ist. Denn er schreibt keine Fiktion, er schreibt über Gegebenheiten, die so, wie er sie formuliert, tatsächlich passieren könnten und es teilweise sogar tun.

 

Der Morgen

Ich liebe diesen Reihen-Auftakt. Mal wieder gelingt es Raabe, mich als Leserin in seinen Bann zu ziehen. Das hin- und her zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit ist perfekt gewählt. Es erzeugt Spannung und den Wunsch, herauszufinden, wer sich hinter welchen Kosenamen verbirgt. Bei den Meisten lag ich richtig - aber bei zweien nicht. Wie geschickt Raabe Verknüpfungen schließt und längst vergangene Kinder-Zeiten in das Leben der Erwachsenen verwebt, ist ein Meisterwerk. Der Reihenauftakt hat es definitiv in sich.

 

Die Charaktere

Fangen wir mit Art an.
Ich liebe ihn. Er ist definitiv sehr gelungen in seiner mürrisch-authentischen Art. Seine realen Probleme, gesundheitlich, familiär, wie auch psychisch, sind grandios gewählt und bilden gemeinsam mit seinem Charakter einen für mich perfekten Thriller-Protagonisten. Seine Intelligenz beeindruckt mich, ebenso seine kühle Direktheit.

Nele hingegen ist anders.
Einerseits finde ich sie unfassbar symparthisch, andererseits geht sie mir oft genug auf die Nerven, wenn auch nicht so, wie andere weibliche Protagonistinnen. Nicht auf eine abfällige Art, sondern auf einer 'Mädchen, wer mal bitte erwachsen' Art. Ich liebe es, wie anders sie im Vergleich zu Art ist, wie erfrischend, auch wenn ich sie gern mal schütteln und fragen würde, wieso sie manchmal derart naiv ist - und sie ist unwesentlich jünger als ich, also darf ich sagen, dass das für eine erwachsene, wenn auch junge Frau schon manchmal wirklich kindlich stur ist. Wenngleich auch realistisch, da ich in ihr so einige meiner Freundinnen wiedererkenne.

Zu den anderen Figuren werde ich nichts sagen, um nicht zu spoilern, aber so viel sei verraten:
Die Freunde von Art aus der Kindheit sind einmalig.
Die Verdächtigen alle brisant und aufregend.
Die Kollegen unterschiedlich und erfrischend.

 

Dieses Buch mitsamt des sehr eindeutigen und gelungenen Spannungsbogens gefällt mir ungemein, aber wenn ich ehrlich bin - etwas anderes habe ich von einem Meister seines Gebiets nicht erwartet.

 

Fazit:

Jeder, der Thriller liebt, es aber nicht so gern blutig mag, ist hier richtig, denn auf eklige Szenen verzichtet Marc Raabe gekonnt und stellt die Szenerie dennoch realistisch dar. Es sind Bücher, die zwar dick sind, mit zahlreichen Seiten - hier über 500 - aber sie lassen sich wie Nichts weglesen.
Ja, das Buch sehe ich definitiv als gelungen an und kratzt schon an mein Monatshighlight.