Rezension

Leider eher gefangen in Abscheu

The Darkest Gold – Die Gefangene
von Raven Kennedy

Bewertet mit 2 Sternen

Bei „The Darkest Gold“ von Raven Kennedy bin ich hellhörig geworden, weil zum einen gleich zwei Bände auf einmal veröffentlicht worden sind, was schon ungewöhnlich ist, und weil ich dank meines Vaters mit den griechischen und römischen Sagen sehr vertraut bin. Das ist der Grund, warum ich sehr interessiert verfolge, dass es einen neuen Trend gibt, diese alten Geschichten als Inspirationsquelle für ganz neue Ideen zu nehmen. Das hat es schon zu Medusa gegeben, das gibt es durch Kennedy jetzt auch zu König Midas und ich bin ehrlich neugierig geworden.

Tatsächlich geht es aber weniger um Midas, so war zumindest mein erster Eindruck zu ihm, weil er oft eine mächtige Präsenz im Hintergrund ist, die aber kaum selbst in Erscheinung tritt. Stattdessen handelt die Geschichte viel mehr von Auren, einer Gefangenen in seinem Palast, deren Haut komplett aus Gold ist und die in einem Käfig lebt und immer dann zur Verfügung stehen muss, wenn der König es will. Ich war über den Einstieg in die Geschichte tatsächlich etwas entsetzt. Ich habe „The Darkest Gold“ als Hörbuch gehabt und auch wenn Regine Lange eine wirklich tolle Erzählstimme ist, war es ein wenig ohne Vorwarnung, wie da direkt am Anfang Orgien beschrieben werden, gepaart mit der sehr despektierlichen Bezeichnung für die entsprechen Frauen, die Sättel genannt werden. Vermutlich ist es auch genau dieser Einstieg in die Geschichte, der mich bis zum Ende sehr beschäftigt hat und wo ich noch hadere, ob es ein Statement der Autorin ist, oder ob es vielmehr Bedienung einer Zielgruppe ist, die explizit erotische Szenen sich wünscht. Ich bin mir natürlich bewusst, dass es keine moderne Geschichte ist und wir uns tatsächlich in einer Lebenswelt wie die der griechischen Sagen befinden und dass Moral und Ethik dort kein großes Thema sind, andererseits ist es aber natürlich ein schmaler Grat, das abzubilden, aber gleichzeitig eine Geschichte zu erzählen, die mehr als pornographische Inhalte wiedergeben möchte.

Es ist wirklich nicht so, dass „The Darkest Gold“ jetzt mit einem klassischen Erotikroman zu vergleichen wäre, wahrlich nicht, aber wenn es an die Vollen geht, dann auf eine Art und Weise, die ich sehr bedenklich finde. Zumal ich eben auch befürchte, dass das nicht so kritisch hinterfragt wird, wie es vielleicht sogar die Autorin selbst beabsichtigt hat, sondern dass es dann wirklich als prickelnde Erotik empfunden wird, obwohl es im gesamten Buch nur toxische Sexszenen gab. Für mich wurde die Geschichte erst dann interessant, als sich die Reisegruppe rund um Auren auf den Weg macht und sie in zahlreiche Gefahrensituationen kommen, wo sich auch das Lieblingsspielzeug des Königs sowie die anderen Sättel erstmals richtig kennenlernen und sich überlegen müssen, ob sie zusammenhalten oder gegeneinander spielen, weil sie von Eifersucht getrieben sind. Hier finde ich, hat man dann doch deutlich feministischere Grundzüge feststellen können, die auch ein Ausgleich zum Rest sind. Das bestärkt mich eigentlich auch in der Annahme, dass Kennedy marketingtechnisch nicht einfach auf einen Zug aufspringen wollte, damit man über ihre Sexszenen bzw. Vergewaltigungsszenen spricht. Die Frau hat schon was zu sagen, aber ich bezweifle, dass es dafür wirklich gut eingebettet ist. Deswegen verstehe ich aber inzwischen auch, warum der Verlag gleich zwei Bände veröffentlich hat, denn vielleicht zeichnet Band 2 wirklich ein anderes Bild und Band 1 ist nur ein Prolog.

Dennoch will ich kurz noch etwas intensiver auf inhaltliche Schwerpunkte eingehen. Was für mich auch wenig gelungen ist, das ist die Einführung von Auren. Man merkt spätestens zum Ende des ersten Bands hin, warum sie im Zentrum der Geschichte steht und das hat riesiges Potenzial, ja, aber bis dahin ist sie eine Frauenfigur, die sich eben in dieses Weltbild einfügt. Sie hat dort keinen eigenen Standpunkt, ihre Freiheitshoffnungen sind nur kleine Sprünge raus aus dem Korsett, ehe sie sofort wieder eingedämmt werden. Ihre Treue zu Midas ist fragwürdig ebenso wie der Grund, warum sie ihm überhaupt so vertraut. Ich sehe zwar in Auren eine Persönlichkeit, die gut ist, das merkt man auch im Umgang mit ihren Wachmännern und dass sie zu den Sätteln gar kein schlechtes Verhältnis haben will, aber das bleibt erstmal eben nicht hängen. Ansonsten sucht man bei den Figuren (abgesehen von den beiden prominent besetzten Wachmännern) auch weitere Sympathieträger vergeblich. König Midas bleibt wie gesagt eher eine Figur, die im Hintergrund ihre Fäden zieht und der daher unheimlich statt charismatisch wirkt. Ich finde es auch schwer abzuschätzen, was die Reihe insgesamt erzählen will. Warum braucht es fünf Bände? Hier muss ich auch sagen, dass es Kennedy nicht gelungen ist, ein klares Bild zu zeichnen, für das ich an Bord bleiben will. So bleibt bei mir vor allem die Skepsis angesichts diesen ersten Bandes und einiger Szenen, die ich zu abschreckend finde, um andere kleinere Ansätze für mich für mehr gelten zu lassen.

Fazit: „The Darkest Gold“ wird sein Publikum finden und das ist okay, denn jeder bewertet und empfindet anders. Ich persönlich bin aus den Absichten der Reihe und der Autorin Raven Kennedy für diese nicht schlau geworden. Ich hoffe wirklich nicht, dass die expliziten Szenen das Publikum anziehen sollen, sondern dass sie ein Statement darstellen. Aber ich bin mir zu unsicher und auch etwas abgestoßen, um mehr herausfinden zu wollen. Dennoch werde ich bei anderen Neuinterpretationen von alten Sagen gerne wieder mal reinschauen.