Rezension

Unerwartet gut

Die versteckte Apotheke -

Die versteckte Apotheke
von Sarah Penner

          London 1791 - In der Back Alley Nummer 3 gibt es eine Apotheke, die sich ausschließlich auf Frauenleiden spezialisiert hat. Dort, so raunt man, könne frau neben Tinkturen und Salben gegen Menstruationsbeschwerden oder Kindbettfieber auch äußerst wirksame Mittel gegen ein anderes Leiden bekommen: besonders gewalttätige (Ehe)-Männer. 
 Nella hatte die Apotheke einst von ihrer Mutter übernommen. Doch statt Schafgarbe, Frauenmantel und andere Heilkräuter mischt sie Eisenhut, Spanische Fliege, Stechapfelsaft oder Schierlingssirup in die hellblauen Glasphiolen mit dem eingravierten Bären. Sorgfältig führt sie Buch über ihre heimlichen Auftraggeberinnen und deren Opfer. Dann tritt eines Tages die 12jährige Eliza zwischen die Tiegel und Töpfe, die Ereignisse überschlagen sich, und die Tage der Gift-Apotheke scheinen gezählt...
200 Jahre später stößt die amerikanische Historikerin Caroline Parcewell beim Mudlarking, dem Schätzesuchen im Uferschlamm der Themse, auf eine der hellblauen Phiolen. Nach einer privaten Enttäuschung für jede Ablenkung dankbar, folgt sie den Spuren des eingeritzten Bären, der auch ihr Leben unvorhersehbar wenden wird...
Normalerweise stehe ich Titeln und Covern wie diesen skeptisch gegenüber. Zumal auch dieser Roman dem gegenwärtigen Trend folgt, starke Frauen um jeden Preis aufs Tapet zu heben. Doch Sarah Penner tut dies auf äußerst unterhaltsame, spannende und gehobenere Weise. Der Plot ihres Romandebuts ist originell und schlüssig, die Charaktere sind gut gezeichnet, deren Gedankengänge und Dialoge überlegt und prägnant formuliert, ihre Handlungen und Entwicklungen folgerichtig. Besonders gelungen fand ich die Selbstwahrnehmung der drei Protagonistinnen Nella, Eliza und Caroline, die im Wechsel (der Zeiten) als Ich-Erzählerinnen auftreten und ihr eigenes Handeln ausgesprochen kritisch reflektieren. Nella mag sich als Rächerin fühlen, als positive Heldin betrachtet sie sich keineswegs. Sie ist eine Mörderin, das gesteht sie gleich in den ersten Zeilen ein. Und daran ist nichts Gutes, trotz aller Gründe, die nach und nach enthüllt werden und nicht nur im Privaten liegen. Das Frauennetzwerk, das der Roman auf den geschickt verflochtenen Zeitebenen beschwört, steht für die Solidarität und Kraft echter Schwesternschaft als Gegenpart zum allgewaltigen Patriarchat. Sarah Penner hat dies nicht unbedingt literarisch tiefgründig, aber unterhaltsam und emotional nahbar verpackt. Man fiebert mit allen drei Heldinnen dem jeweiligen Ende ihrer Geschichte entgegen und bleibt lächelnd zurück.