Rezension

Ungeheuer traurig. Ungeheuer tröstlich.

Die letzten Tage von Rabbit Hayes
von Anna McPartlin

Bewertet mit 5 Sternen

Stell dir vor, du hast nur noch neun Tage. Neun Tage, um über die Flüche deiner Mutter zu lachen. Um die Hand deines Vaters zu halten (wenn er dich lässt). Und deiner Schwester durch ihr Familienchaos zu helfen. Um deinem Bruder den Weg zurück in die Familie zu bahnen. Nur neun Tage, um Abschied zu nehmen von deiner Tochter, die noch nicht weiß, dass du nun gehen wirst.

Bei „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“ von Anna McPartlin sagt uns bereits der Titel, in welche Richtung diese Geschichte läuft. Doch das ist kein Grund die Augen zu verdrehen, weil es sich schon wieder um ein Buch mit dem Thema „Krankheit und Tod“ handelt. Vielmehr sollte man Rabbits Geschichte die Chance geben, gelesen zu werden. Auch wenn das Buch von Rabbits Krankheit überschattet wird, so sind es doch die kleinen Momente, sowie die herzigen Charaktere, die dieses Buch zu einem ganz besonderen Schatz im Bücherregal machen. 

In Anbetracht ihres bevorstehenden Todes und gefesselt an ihr Bett im Hospiz, lässt Rabbit ihr Leben nochmal Revue passieren. All die schönen und unschönen Ereignisse kramt sie aus ihren Erinnerungen hervor, um mit sich und ihrer Welt Frieden zu schließen. Wir erleben in diesen Rückblicken wie Rabbit erwachsen wird, ebenso wie wir ihre Familie und Freunde auf diesem Weg von der Vergangenheit ins Hier und Jetzt begleiten. Dadurch lernen wir alle samt sehr gut kennen, was mir sehr gut gefällt. Gerade ihre tollpatschige Mum, die einfach in jedes Fettnäpfchen hüpft, hat mir einige Lacher beschert und neben Rabbit am meisten imponiert. Wie sie an der Seite ihrer Tochter steht und nichts unversucht lässt, sie zu „retten“ ist so berührend und so aussichtslos zugleich, dass mir das ein ums andere Mal die Tränen in die Augen getrieben hat. Es ist rührend zu sehen, wie sich die gesamte Familie um Rabbit sorgt und sie in ihren letzten Tagen begleitet.

Anna McPartlin hat mir mit Rabbits Geschichte wieder einmal bewusst gemacht, wie vergänglich alles ist, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Dieser unvermeidliche Ausgang von Rabbits Krankheit und diese Hilflosigkeit der Angehörigen, hat mir immer wieder die Kehle zugeschnürt und ich musste des Öfteren zum Taschentuch greifen. 

Was mir besonders gut gefallen hat, war, dass nicht unnötig um das Unvermeidbare herum geredet wurde, keine überspitzten oder untertriebenen Floskeln eingebaut wurden. Anna McPartlin hat die Fakten auf den Tisch gepackt, so wie sie nun mal auch sind. Diese realitätsgetreue Darstellung hat mich tief berührt und immer wieder schluchzen lassen. Selten hat mir ein Buch solch authentische Einblicke in das Gefühlsleben von Betroffenen und Angehörigen gegeben, selten hat mich ein Buch gefühlsmäßig so ergriffen, hat mir so oft das Herz gebrochen, wie dieses hier. 

„Die letzten Tage von Rabbit Hayes“ ist ein Buch, welches das Leben schreibt. Es präsentiert uns die nackte Wahrheit, kommt ohne unnötige Beschönigung oder Überdramatisierung aus, bleibt allzeit realistisch und nachvollziehbar. Schwarzer Humor steht hier an der Tagesordnung und passt auch unglaublich gut in die Geschichte. Das Buch transportiert die beschriebenen Gefühle direkt ins Herz des Lesers, lässt ihn trotz der Ausweglosigkeit komischerweise doch auf ein gutes Ende hoffen. Ein Buch, welches noch lange nachklingt und den Leser nicht loslässt. 

Die Geschichte von Rabbit Hayes: ungeheuer traurig. Ungeheuer tröstlich.