Rezension

Irreführender Titel

Die letzten Tage von Rabbit Hayes
von Anna McPartlin

Rabbit Hayes ist todkrank und das Letzte, was sie möchte, ist, ihre Tochter Juliet alleine zurückzulassen. Zum Glück ist da jedoch ihre chaotische, liebenswerte Familie, die sie nach aller Kraft unterstützt und sich nach wie vor weigert, sie aufzugeben. Rabbit jedoch weiß, dass ihr Schicksal unabänderlich ist – wie nur soll sie das ihrem einzigen Kind beibringen? Und wie geht man selbst mit dieser Gewissheit um, wohlwissend, wie sich der Verlust eines geliebten Menschen anfühlt? Denn Rabbit hat bereits ihre große Jugendliebe Johnny an eine Krankheit verloren…

Der Schreibstil von Anna McPartlin ist relativ gut zu lesen, wenn auch nicht gerade außergewöhnlich.

Die Geschichte wechselt zwischen den Perspektiven verschiedener Personen, die Rabbit nahestehen oder standen, ohne jedoch in die Ich-Perspektive zu rutschen. So erfährt der Leser eine Menge über die Gefühlswelten der einzelnen Charaktere und kann sich sehr gut in sie hineinversetzen, ohne dass Verwirrung wegen des Wechsels aufkommt. Ein wenig irritierend sind zu Anfang die Sprünge zu Ereignissen in der Vergangenheit, zum Beispiel zu Rabbits Kindheit und Jugend, in der sie den Sänger der Band ihres Bruders kennen und lieben lernte. Zwar wird dem Leser mitgeteilt, dass Rabbit sich in ihren Schlaf-Phasen zurück in die Vergangenheit begibt, doch gibt es nur manchmal  Auslöser für eine bestimmte Erinnerung im Hier und Jetzt, was der Geschichte ein wenig die Kohärenz nimmt.

Der Großteil der Charaktere ist sehr schön ausgearbeitet und verändert sich im Laufe des Buches. Besonders Rabbits Bruder Davey wächst an der schwierigen Situation, da er beschließt, sein Leben als Jetsetter und tourender Unterstützer einer Sängerin aufzugeben und sesshaft zu werden, um Verantwortung zu übernehmen, vor der er sich bisher immer gedrückt hat. Interessant zu beobachten ist jedoch auch Juliet, die mit ihren zwölf Jahren bereits so erwachsen ist und ihre Mutter nach Leibeskräften gepflegt hat. Da sie im Laufe der Geschichte zum ersten Mal ihre Periode bekommt, scheint es sogar fast so, als hätte ihr Geist ihren Körper in der Entwicklung gezwungenermaßen schon überholt. Beinah unverändert bleibt dagegen Rabbits Mutter Molly, die tatsächlich bis zum Umfallen nach Heilmethoden für ihre Tochter sucht, weil sie die Wahreheit nicht akzeptieren kann. Dabei ignoriert sie allerdings sogar Rabbits Wünsche und Einwände, was sie im Laufe der Zeit immer unsympathischer erscheinen lässt. Ein wenig flach kommt leider Mollys beste Freundin rüber, aber das Hauptproblem liegt eigentlich bei der Protagonistin des Romans: Rabbit Hayes kommt nämlich leider viel zu kurz in der gesamten Geschichte. Hauptsächlich erfährt der Leser Dinge aus ihrer Vergangenheit, kaum jedoch etwas über ihre derzeitige Verfassung und ihren Kampf mit dem Tod. Zwar gibt es kurze Momente, in denen ihre Verzweiflung durchschlägt, dann aber reißt sie einen Witz über ihre Krankheit und obwohl es schön ist, dass sie nicht völlig den Mut und ihre Lebensfreude zu verlieren scheint, kommen diese Augenblicke der Auseinandersetzung damit leider doch zu kurz. Überhaupt stehen vielmehr ihre Familie und deren leicht überdrehtes Verhalten (auch in der Vergangenheit, also nicht ausgelöst durch die angespannte Situation) im Vordergrund als sie selbst, weshalb das Buch ziemlich enttäuschend ist hinsichtlich der Erwartungen, die der Klappentext entstehen lässt.

Insgesamt ist Die letzten Tage von Rabbit Hayes zwar ganz nett zu lesen, ist jedoch irreführend betitelt, da eigentlich eher die letzten Tage ihrer Familie zu Lebzeiten Rabbits beschrieben werden und das Buch damit einen deutlichen Teil des erwarteten Tiefgangs missen lässt – das holt leider auch die kurze Liebesgeschichte in den Rückblenden nicht wieder raus.
 

Kommentare

Tine kommentierte am 17. Januar 2021 um 14:11

Danke für die Spoiler! =( Das Buch hat mich noch nicht richtig gepackt, aber nachdem du so viel wichtiges verraten hast, kann ich es nun sein lassen..