Rezension

Eine Seefahrt ist mordslustig

Passagier 23
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 3 Sternen

Mein erster Fitzek. Ich bin geradezu jungfräulich an dieses Buch gegangen, so sehr ist der Hype an mir vorbeigegangen. Und jetzt sitze ich hier und bin unschlüssig. Einerseits war es ein solider Thriller, andererseits reißt er mich auch nicht von den Füßen

Wir haben hier Martin Schwartz, einen Polizisten, der ständig Undercover ist. Für seine Undercovertarnungen lässt er sich auch schon mal tätowieren, reißt sich Zähne raus (eigenhändig, wohlgemerkt, damit wir sofort merken, welch harter Hund er ist) oder HIV-Antikörper spritzen, um bei einem Schnelltest als aidskrank durchzugehen. Er hat null Sicherheitsbedürfnis und Angst ist ihm fremd. Warum? Er hat fünf Jahre vorher seine Frau und seinen zehnjährigen Sohn verloren, angeblich hat seine Frau auf einer Kreuzfahrt erweiterten Suizid begangen. Von daher hasst er Schiffe und alles, was mit Seefahrt zu tun hat. Doch ausgerechnet von der Sultan of the Seas, dem Schiff, auf dem seine Familie starb, bekommt er einen Anruf mit einer Nachricht, die ihn elektrisiert: angeblich lebt sein Sohn noch. Obwohl er nie einen Fuß auf das Schiff setzen wollte, tut er genau das und setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die immer bizarrer und mörderischer werden.

Es gibt mehrere Handlungsstränge. Einmal den Hauptstrang um Martin und seine Ermittlungen, daneben gibt es die Geschichte einer Mutter und einer halbwüchsigen Tochter, die scheinbar einen Suizid plant, dann wieder einen sadistischen Mörder, der seit zwei Monaten eine Frau quält, nur um sie um ihren Tod betteln zu lassen. Meistens marschieren wir mit Martin mit und erleben alles aus seiner Perspektive, gelegentlich dürfen wir auch der Mutter des Teenagers über die Schulter schauen oder dem Kapitän, dem Reeder, einem durchgeknallten Mordstypen, einem Dieb, dem Opfer des Sadisten. Der Schreibstil ist meistens flüssig wie das Meer unter der Sultan of the Seas, und spannend ist es auch. Dabei benutzt Fitzek einen Taschenspielertrick, um eben diese Spannung zu erreichen. Er schreibt kurze Kapitel, die er grundsätzlich an einer entscheidenden Stelle unterbricht, um zu einer anderen Szene oder Perspektive zu wechseln. Mich nervt das, weil er an diesen Stellen auch immer abgehackte Schlagworte benutzt, um ja deutlich zu machen, wie spannend es wird – nur um den Leser dann hängenzulassen. (Beispiel in etwa, aus dem Gedächtnis zitiert: „Er war zurück. Auf dem Schiff. In seinem Alptraum.“) Wenn das einmal oder zweimal als Stilmittel verwendet wird, ok. Aber ständig nutzt es sich einfach nur ab. Irgendwann war mir fast egal, was mit wem wie passierte, weil ich wusste, ich bekomme in diesem Moment eh keine Antwort, also was soll's.

Viele Ereignisse in so geballter Ladung wirkten dann auch so unglaubwürdig, dass ich manchmal schmunzeln musste. Das ist sicherlich nicht das Ziel des Buches gewesen, aber immerhin hatte es einen Popcorneffekt und verleidete mir auch keine Kreuzfahrten. Wenn ich mal alt bin, werde ich wie Gerlinde Dobkowitz, suche nach dem Bermuda-D(rei)eck und hab Spaß.

Fazit: Unterhaltsam, aber mit zu vielen aufgebauschten Effekten, die spätestens nach der Hälfte des Buches ihre Wirkung verlieren.